Fink-Mennel, Evelyn
Die Fiddlecats
Ein „Spiel nach Gehör“-Ensembleprojekt an der Rheintalischen Musikschule Lustenau
Die Fiddlecats (Teenager+) bzw. Fiddlekids (die Jüngsten) vereinen StreicherInnen verschiedener Musikschulen des Bundeslandes Vorarlberg seit 2018. Freiwillig, kostenlos und als Ergänzung zum Einzelunterricht der Teilnehmenden treffen sich die Fiddlecats sechsmal im Semester an einem Samstagvormittag.
Statt der „Noten-Hand-Koordination“ lernen sie Musik ohne Noten ausschließlich übers Gehör. Sie sind ganz in der Musik und in Kontakt mit dem bzw. der jeweils das Stück im Sinne eines „Stehgeigers“ leitenden Mitspielenden (die Rolle wechselt demokratisch und selbstbestimmt). Sie bewegen sich frei und sind so gut aufeinander abgestimmt, dass spontan auf musikalische Impulse, das Publikum oder eine Situation reagiert und die kommunikativ-funktionale und soziale Dimension und Erwartung umgangsmäßigen Musizierens bewältigt werden kann.
Mit der Musik im Kopf und in den Fingern sind sie stets spielbereit, bei freier Sicht und offenen Ohren für den musikvermittelnden Menschen. Ohne Noten wird auch aufgetreten, sowohl bei formell konzertanten als auch informellen Spielanlässen wie z. B. Straßenmusik, Sessions, wandernde Ausstellungseröffnungsmusik oder Karaoke-Band fürs Geburtstagsständchen.
Vom Mund übers Ohr in die Finger
Der konsequent auditive Lernweg ist der Schlüssel zur Entwicklung der Ohr-Hand-Koordination und des freien Spielens nach Gehör. Sensibilisierung für Klangdifferenzierung und Klangvorstellung, stabile Intonation und mutig-musikantisches Spiel werden ebenso gefördert wie die Musikerpersönlichkeit, Selbstwirksamkeit und die soziale Aufmerksamkeit.
Grundlage bildet das methodisch gestützte fingersatzmäßige Begreifen von Gesungenem. Neben bekannten Methoden (Suzuki und Kodály) kommen daher speziell für Streichinstrumente von der Verfasserin entwickelte assoziative und sensomotorische Entkoppelungsübungen zum Einsatz. Die Übertragung einer Melodie aufs Instrument ist so für die Jugendlichen leicht lösbar. Dabei werden im Sinne der anthropologischen Einheit von Spiel, Gesang und Bewegung nicht nur die Instrumente, sondern auch die Stimme und Körperklänge bis hin zu Bewegungsformen eingesetzt, die nicht nur didaktisch genutzt werden, sondern mit ins künstlerisch kreative, für verschiedene Spielniveaus geeignete Arrangement einfließen. Mit Hilfe verschiedener Methoden, wie z. B. auf Flipchart notierter visueller Anker, wird im Unterricht Geprobtes akustisch und bildlich festgehalten und steht zuhause als Memo zur Verfügung.
Das Repertoire: internationale und regionale Volksmusik
Adornos „Kritik der musikpädagogischen Musik“ hat die Arbeit mit Volksmusik-Repertoire und in Gruppensettings jahrzehntelang in ein ideologisch und musikpädagogisch problematisiertes Licht gestellt, was aus ethnomusikologischer und musikalischer Sicht heute nicht mehr haltbar ist. Mit Überzeugung orientiert sich das Repertoire der Fiddlecats an Volksmusiken und modernen Folk-Arrangements aus verschiedenen Regionen der Welt.
Sie begünstigen das auditive Lernen durch kurze, überschaubare Formteile, in denen sich vieles lernen lässt, was auch in der Kunstmusik gefordert und dort in größeren Formen exploriert ist. Und für die im Streicherunterricht meist mit klassischer Musik sozialisierten Kinder und Jugendlichen bietet vor allem das tanzmusikalisch virtuose Repertoire (nicht elementarisiert, sondern in voller künstlerischer Absicht) eine willkommene wie herausfordernde spieltechnisch-musikalische Abwechslung, mit der sie sich auch inhaltlich identifizieren und die sie motiviert.
Neben der Ensembleleiterin (Ethnomusikologin und Geigerin) sind die MusikvermittlerInnen vor allem angehende Musikschullehrende im Rahmen ihrer Lehrpraxis an der Stella Musikhochschule. So entstanden bislang Settings mit MusikerInnen aus Griechenland, Südafrika, Kolumbien, der Ukraine, Polen und natürlich aus den DACH-Ländern. Kulturelle Diversität wird hier zur gelebten, positiv und vorbehaltlos erlebten Praxis menschlicher und musikalischer Begegnung.
Durch das divers-weltmusikalische und abwechslungsreich arrangierte Repertoire wird das Ensemble für die Gestaltung von Ausstellungseröffnungen, Buchpräsentationen, Firmen- und Weihnachtsfeiern oder Pressekonferenzen engagiert. Bei spezifischen inhaltlichen Erwartungen werden Programme kreiert, bei denen die Jugendlichen programmatisch mitreden. Auch werden die Jugendlichen selbst zu VermittlerInnen und analogen Musik-InfluencerInnen, wenn sie im Vermittlungsprogramm „Kinder für Kinder“ agieren. Reisen ins Ausland oder Mitwirkung bei CD-Produktionen sind nach Möglichkeit ebenfalls Teil des Outreach-Konzepts.