Schulte im Walde, Christoph

Die Kids von der Bläserbande

Neues Material für den Bläserklassenunterricht im dritten und vierten Grundschuljahr

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 2/2010 , Seite 49

Big Beat hat selbstverständlich einen Taktstock in der Hand – weil er nun mal der Boss ist und den Ton angibt. Puste Jan trägt ein Basecap und wie sein Name schon andeutet, ist er zuständig für alles, was mit Luft und Atmung zu tun hat. In der Mucki­bude hat Schiebe Max das Sagen. Als Posaunist kennt er sich nämlich bestens damit aus, was der Lippen- und Gesichtsmuskulatur gut tut, während die Coole Klara stets ihre feinen Ohren offen hält und sich darum kümmert, dass im Orchester alle sauber spielen. Und dann sind da noch Brumm Ede, Power Kati, Saxo Tine und Triller Liese – alles in allem also acht putzmuntere Kids in einer echt starken Gruppe.

Die Bläserbande heißt das neue Unterrichtsmaterial für den Klassen- und Gruppenunterricht, das vor rund einem Jahr erschienen und explizit auf Schülerinnen und Schüler des dritten und vierten Grundschuljahres zugeschnitten ist. Die Kids von der Bläserbande haben irren Spaß daran, gemeinsam die Welt der Töne zu entdecken, miteinander Musik zu machen und manches Abenteuer mit den unterschiedlichsten Instrumenten zu erleben. Und das auf spielerische Weise, fern ab von jedem trockenen Unterricht und vor allem ohne jede Überforderung.
„Für die Zielgruppe ab dem fünften Schuljahr gibt es eine ganze Menge Material, keine ­Frage. Aber es gibt wenig, was wirklich gut passt für Kinder in den beiden letzten Grundschulklassen“, konstatiert Bernhard Gortheil, der Vater der Bläserbande. Der Musikschulpädagoge aus dem Emsland hat mehr als acht Jahre an der Erkundungsroute gearbeitet, auf dem sich Big Beat und seine jungen Freundinnen und Freunde fortan bewegen können. Bernhard Gortheil reagiert damit auf die Tatsache, dass sich das Klassenmusizieren in den vergangenen Jahren zeitlich nach vorne verschoben hat und in den Schulen bereits viel früher damit begonnen wird: „Diese Entwicklung ist durchaus sehr erfreulich, denn im fünften Schuljahr haben viele ihr Hobby schon gefunden! Wenn man dann erst mit der Musik beginnt, ist es manchmal schon zu spät, dass daraus etwas Bleibendes wird.“ Wer ganz früh seine ersten musikalischen Erfahrungen macht, hat da einen Vorteil. Das Gefühl des Miteinanders, der Gemeinschaft, erste Erfolgserlebnisse in der Gruppe sind Aspekte, die das Interesse der Kinder am eigenen Musizieren unterstützen und wachhalten.
Gortheils Bläserbande unterscheidet sich gegenüber den meisten Schulen für ältere Kinder dadurch, dass es erst einmal sehr langsam vorangeht. Es sei keinesfalls nötig, „schon auf der zweiten Seite des Unterrichtsmaterials in einem Fünftonraum zu arbeiten“, so Gortheil. Weniger ist mehr, sagen sich auch die Kids von der Bläserbande. Die wissen zwar, dass sie sich im Lauf der Zeit einen Raum von fünf Tönen und später mehr als einen fast chromatischen Oktavraum erobern werden, starten aber erst einmal ganz bescheiden. „Damit Big Beat in der Anfangszeit besser Anweisungen – ich nenne sie ‚vereinfachte Spielanweisungen‘ – für alle Instrumente geben kann, habe ich die ersten fünf Töne als tiefsten Ton, zweittiefsten Ton, mittleren Ton usw. bezeichnet. Es gibt auch spezielle Handzeichen und Dirigierbewegungen, die im Lehrerband beschrieben sind.“
Begonnen wird also mit dem „mittleren Ton“ – und der kann durchaus für drei, vier Wochen interessant sein und bleiben. Nicht zuletzt, weil Big Beat in dieser Zeit viel Aufmerksamkeit investiert, um die SchülerInnen von Anfang an mit elementaren Dingen beim Musizieren vertraut zu machen: Haltung beim Spiel, der Ansatz, der Vorgang der Tonerzeugung und anderes mehr. Parallel dazu wird selbstverständlich auch Bekanntschaft geschlossen mit der Pause. Außerdem entwickelt Brumm Ede für alle Bläserbanden-Mitglieder deren „Geheimsprache“– hinter der sich die Zählzeiten im Takt verbergen. Pus­te Jan präsentiert derweil eine erste gut nachvollziehbare Atemübung. Und was ist ein Wiederholungszeichen? Auch das erfahren die Freunde der Bläserbande schon ganz zu Anfang.
Dabei merkt eigentlich niemand, dass dies alles „nur“ Übungen sind. Ganz im Gegenteil: Es sind Lieder, deren Rhythmus und Text sich Bernhard Gortheil hat einfallen lassen. „Lieder für jeden Tonraum, überwiegend deutschsprachig angelegt und insgesamt so, dass die Kinder das cool finden, sich also richtig als Bande verstehen – eben mit richtigen Banden-Songs. Wenn sie aus dem Unterricht kommen, müssen sie spontan dieses Lied singen, es flöten, dieses gemeinschaft­liche Klangerlebnis mitnehmen, der Funke muss überspringen! – Diese Erfahrung habe ich machen können.“ Später kommen auch traditionelle Lieder hinzu, die jeder kennt und die den Aha-Effekt beim Wiedererkennen liefern. Diese einfachen Lieder ermöglichen die Mitwirkung der Bläserbande bei Schulveranstaltungen, Vorspielen oder Konzerten. Die Kinder können so schon früh ihr Erlerntes präsentieren.
Vor allem aber ist dies das wesentliche Charakteristikum der Bläserbande: das Tonmaterial ist für alle Blasinstrumente gleich! „Das ist längst nicht selbstverständlich, denkt man etwa an den Bruch, der entstehen kann, wenn Trompete und Klarinette zusammenspielen und sich dabei in anderen Tonräumen bewegen. In der Bläserbande ist es stets derselbe Tonraum“, erläutert Gortheil. Man kann alle Stimmen mit allen Instrumenten üben. So herrscht nirgends Leerlauf in der großen Gruppen. Anders als bei Verwendung von Unterrichtsmaterial, bei dem beispielsweise die Klarinetten gezieltere Zuwendung benötigen als die übrigen Instrumente. „Gruppenunterricht ist dynamisch und schnell. Ich kann mich nicht sehr ausführlich oder lange mit einem Thema befassen, sondern muss schnell reagieren, kurze Anweisungen geben, damit ein Fluss in den Unterricht kommt, Spannung bestehen bleibt. Ich kann alle Übungen mit allen machen!“ Und ziemlich rasch führt die Bläserbande dank zwei- oder dreistimmiger Lieder hinein in den Orchesterklang. Erst wenn alle Stimmen geübt sind, werden die Aufgaben ganz konkret verteilt.
Doch bevor das Orchester überhaupt steht, dreht sich erst einmal das Instrumentenkarussell! Dazu hält das Unterrichtsmaterial den beigelegten Flyer Unser Instrumenten­karussell bereit. Wer mit der Bläserbande unterwegs ist, soll schon gleich zu Beginn ganz viele unterschiedliche Erfahrungen machen auf ganz unterschiedlichen Blasinstrumenten. „Schüler und Eltern sollten im Idealfall keine speziellen Wünsche haben“, wünscht sich Bernhard Gortheil. „Die ersten vier bis sechs Wochen lernen alle alles kennen: Basiswissen, Ansatz, Atmung, die ersten Notenkenntnisse… und jedes Instrument soll ausprobiert werden. Zwei Fachlehrer betreuen diese Testphase. Schüler merken, was ihnen liegt. Auch die Lehrer machen sich Notizen, um nach der Erkundungsphase Empfehlungen aussprechen zu können. Im Lehrerband sind zwei mögliche Basisbesetzungsmodelle angegeben, allerdings nur beispielhaft.“ Auf dem Flyer tragen die Kinder drei Favoriten ein. In Absprache mit den Kindern, Lehrern und Eltern erfolgt dann die Zusammenstellung des Orchesters.
Noch weitere auf die Praxis zugeschnittene Hilfen hält der Lehrerband bereit. Ein Kapitel etwa widmet sich konkret den Instrumenten, ihrer Geschichte, deren Aufbau, Haltung, Ansatz und Tonerzeugung. Außerdem gibt es Tipps hinsichtlich der Organisation und Planung einer Bläsergruppe. Schließlich dient die den Schüler- und Lehrerbänden beigefügte Audio-CD als Übehilfe oder als Begleit-CD bei Aufführungen.
Die Bläserbande zielt zunächst einmal auf die gebräuchlichen Instrumente: von Querflöte, Klarinette und Saxofon über Trompete, Posaune und Tenorhorn bis hin zur Tuba. „Man kann das ad libitum erweitern. Aber weil Die Bläserbande im Grundschulbereich eingesetzt wird, will ich das Modell übersichtlich halten. Wenn es an einem Ort einen Oboenlehrer gibt, der gern sein Instrument unterrichten will, kann er problemlos die Oboe einbauen.“ Und auch für den Fall, dass hier oder da ein Horn, eine Trompete in C oder auch ein Drumset Bläserbanden-Mitglied werden möchte, ist gesorgt. (Entsprechende Zusatzstimmen sind auf www.schott-music.com/blaeserbande zum Download eingestellt.)
„Keine Frage, man muss die Schüler schon etwas führen und ihnen das Gefühl vermitteln, dass es auch etwas Besonderes ist, Inst­rumente zu spielen, die vielleicht nicht so selbstverständlich sind. Nur dann klingt ein Orchester und nur dann ist es eine Gemeinschaft“, so Gortheil. „Nachher stellt man als Lehrer fest: Die Kinder fühlen sich so wohl!“ – und haben sich schließlich in „ihr“ Instrument verliebt.
Gute Erfahrungen hat Bernhard Gortheil in seinem Wirkungskreis auch gemacht im Hinblick auf Kooperationen zwischen Grundschulen und Musikschulen, zwischen Musikschulen und örtlichen Musikvereinen, die bei ihrer Arbeit auf sein Unterrichtsmaterial zurückgreifen. „Im Idealfall wird die Bläsergruppe von einem Musikschullehrer und einem Grundschullehrer zusammengestellt und geleitet.“ Das Grundkonzept der Bläserbande vermeidet schließlich auch den immer wieder scheiternden Versuch zusammenzubringen, was nicht von vornherein zusammen gehört! Eines von vielen Beispielen: Streicher und Blasinstrumente. „Hier im Grundschulbereich soll ich Instrumente miteinander kombinieren, die erst einmal gar nicht zusammen passen?“, fragt sich Gortheil. Ein solches Miteinander kommt ganz bestimmt. Aber eben erst zu passender Zeit. Bis es so weit ist, wirft Triller Liese, zuständig für die wöchentliche Übe-Tabelle, erst einmal ein Argusauge darauf, ob die Bandenmitglieder auch schön regelmäßig trainieren!

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