Schunter, Julian / Helga Jantscher / Johannes Hirschler

Die Musikschule als Lernort

Das Kärntner Modell der Externen Lehrpraxis

Rubrik: Hochschule
erschienen in: üben & musizieren 5/2022 , Seite 40

Wie kann man das Lehren lernen? Wie lassen sich im Rahmen eines instrumental- und gesangspädagogischen Studiums eigene unterrichtspraktische Erfahrungen sammeln und didaktisch reflektieren? Die Frage nach Struktur und Inhalt studentischer Lehrpraxis in künstlerisch-pädagogischen Studien­gängen ist immer wieder Gegenstand der Fachdiskussion.

Während hochschulinterne Lehrpraxisseminare und kürzere Hospitationspraktika an Musikschulen meist selbstverständlicher Bestandteil instrumental- und gesangspädagogischer Curricula sind, sprechen sich in jüngerer Zeit verschiedene Stimmen für eine Ausweitung der Praxisanteile aus und sehen dabei die hochschuldidaktische Integ­ration der Musikschule als zweiten Lernort als Chance. Sebastian Herbst entwickelt etwa, in Anlehnung an das deutsche Lehramtsstudium, die Vision eines Praxissemesters an Musikschulen1 und Barbara Busch plädiert gar „für die Einführung dualer Studiengänge an Musikhochschulen“.2 Dahinter steht in beiden Fällen neben anderem der Anspruch, die enorme Breite und Vielfalt heutiger instrumental- und gesangspädagogischer Tätigkeitsfelder bereits im Studium in den Blick zu nehmen.3 Auch in Österreich wird die Abbildung dieser Vielfalt im Studium der Instrumental- und Gesangspädagogik (IGP) mitunter als Herausforderung benannt.4 Im Folgenden wird ein Ansatz aus Kärnten vorgestellt, der dem skizzierten Anspruch gerecht werden will.5
Im Masterstudium IGP an der Gustav Mahler Privatuniversität für Musik in Klagenfurt (GMPU) bekommen Studierende die Möglichkeit, umfangreiche Erfahrungen im Musikschulalltag zu sammeln. Bei Wahl des entsprechenden Moduls übernehmen sie – begleitet von MentorInnen – über drei Semester Unterricht an einer Musikschule (siehe Infobox). Dabei steht, neben einem auf die jeweiligen Bedarfe abgestimmten, einsemestrigen Einzelunterricht und aufbauend auf den Erfahrungen aus der internen Lehrpraxis im Bachelorstudium, jeweils ein Semester lang die Arbeit in Klein- und Großgruppen im Fokus.
Durch die Kooperation mit den auf Landesebene organisierten Musikschulen des Landes Kärnten können passende Settings aus dem gesamten Musikschulangebot für die einzelnen Studierenden individuell zusammengestellt werden. Die MentorInnen werden von beiden Institutionen gemeinsam ausgewählt und können bei Bedarf und in Absprache mit den Studierenden abhängig von der jeweiligen Unterrichtsform auch wechseln. Durch die Vor- und Nachbesprechung des Unterrichts, beim Erstellen von Praktikumsberichten und im Rahmen flankierender Universitätsseminare6 wird das Nachdenken über das eigene Tun angeregt und der Unterricht kritisch-konstruktiv reflektiert.
Die beteiligten Lehrenden beider Institutionen begegnen sich in für diesen Zweck von der GMPU organisierten Fortbildungen sowie bei regelmäßig stattfindenden Fachbereichstreffen. Zudem nehmen sie die pädagogischen Abschlussprüfungen der extern mitbetreuten Studierenden gemeinsam ab. Diese intensive Zusammenarbeit gab den Anlass zu einem Podcastgespräch, auf welchem der nachfolgend skizzierte Erfahrungsaustausch basiert.7 Mentorin Helga Jantscher, Fachbereichsleiter Johannes Hirschler (beide Musikschulen des Landes Kärnten) sowie Assistenzprofessor Julian Schunter (GMPU) geben Einblick in ihre Erfahrungen mit dem noch jungen Kooperationsmodell.

Ressourcen verbinden

Hirschler: Julian, wie würdest du die Grundideen und Ziele der Kooperation zwischen Musikschulen und GMPU zusammenfassen?
Schunter: Wir sind froh über diese Möglichkeit der Zusammenarbeit, weil die Musikschulen eine große Breite und Expertise mit verschiedenen Zielgruppen und Unterrichtsformaten bieten. Für die Studierenden geht es in der Externen Lehrpraxis darum, ungefiltert Einblick in die Alltagsarbeit einer Musikschule zu bekommen sowie eigene unterrichtspraktische Erfahrungen zu sammeln. Dabei haben sie eine erfahrene Musikschullehrkraft an der Seite, die von außen auf den Unterricht blickt. Uns ist zudem wichtig, dass ausreichend Zeit für die gemeinsame Reflexion zur Verfügung steht; folglich vergütet die GMPU den Mentorinnen und Mentoren diese so wertvolle Reflexionszeit.
Hirschler: Ich sehe es als Win-Win-Situa­tion, dass wir hier unsere Ressourcen in einen Topf werfen. Denn natürlich ist es unser Interesse als Musikschulen, Absolventinnen und Absolventen zu bekommen, die bereits im Studium möglichst vielfältige Unterrichtsformen kennengelernt haben. Gruppenunterricht in verschiedenen Settings ist ein präsentes Thema in unserem Alltag. Hier Einblick zu gewähren, das ist ein Beitrag, den wir in der Kooperation bestens leisten können.

1 vgl. Herbst, Sebastian: „Kooperationen üben. Zur Idee eines Praxissemesters für IGP-Studierende“, in: musikschule )) DIREKT. Supplement zu üben & musizieren, 5/2017, S. 2-4.
2 Busch, Barbara: „Duales Prinzip. Plädoyer für die Einführung dualer Studiengänge an Musikhochschulen“, in: üben & musizieren, 3/2021, S. 14.
3 Einen etwas anderen Zugang zu studentischer Lehrpraxis stellen Wolfgang Lessing und Andreas Doerne vor: „Durch die Brille des ‚knowing with‘. Grundlegende Überlegungen zur Gestaltung von IGP-Studiengängen“, in: üben & musizieren, 5/2020, S. 6-8.
4 vgl. Krinner, Magdalena/Kruse-Weber, Silke/ Marin, Cristina: „Instrumental- und Gesangspäda­gogik zwischen Theorie und Praxis. Reflexionen zum ersten Didaktik-Tag an der Kunstuniversität Graz“, in: Steirische Hochschulkonferenz (Hg.): Qualität in Studium und Lehre. Kompetenz- und Wissensmanagement im steirischen Hochschulraum, Wiesbaden 2016, S. 225-240.
5 Thomas Bolliger und Floriane Bourreau stellen ein ähnliches Kooperationsmodell aus der Schweiz vor: „Growing Together. Universities of Music and Music Schools in Switzerland”, in: Hahn, Michaela/Hofecker, Franz-Otto (Hg.): music school RESEARCH II. The Future of Music Schools – European Perspectives, St. Pölten 2019, S. 227-246.
6 MA-Seminar „Vertiefende Didaktik“ über zwei Semester, Einführungsveranstaltung zu Beginn der Externen Lehrpraxis sowie Präsentation und Diskussion der Erfahrungen im Rahmen eines BA-Fachdidaktik-Seminars in jedem Lehrpraxissemes­ter.
7 Es handelt sich bei dem folgenden Text um adaptierte Auszüge des Gesprächs. Die Podcastfolge der Musikschulen des Landes Kärnten („Vom Sprung ins kalte Wasser, von Schwimmhilfen und von unterschiedlichen Brillen“) ist hier zu hören: https://musikschule.ktn.gv.at/Podcasts.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 5/2022.