Förner, Sabrina
Die Schildkröte im Regen
Elementares Musizieren im Kinderchor
Betrachtet man die Kinderchorprobe als eine Form der Elementaren Musikpraxis, ist es folgerichtig, dass neben dem Singen auch Elementares Instrumentalspiel und Bewegung bzw. Tanz eine große Rolle spielen. Gerade dieser Wechsel zwischen den Ausdrucksbereichen kann Kinder motivieren. Die Kinderchorprobe wird zum gestalteten Prozess…
Ein Lied nicht nur zu singen, sondern auch dazu zu tanzen und auf Instrumenten zu musizieren, kann für ein tieferes musikalisches Verständnis sorgen und bietet vielfältige Anknüpfungspunkte für heterogene Gruppen. Und auch in Bezug auf das Singen gibt es viele Möglichkeiten für die Kinder, sich stimmlich auszudrücken: angefangen bei Angeboten zur Stimmexploration (Imitation von Alltags- und Naturklängen) über den spielerischen Umgang mit verschiedenen Tonhöhen bis hin zum differenzierten stimmlichen Gestalten von festgelegtem Material. Dabei sollten vier Grundregeln1 unbedingt beachtet werden:
1. Tonhöhe: Die kindlichen Stimmbänder sind kürzer als die von Erwachsenen und können deswegen einen bestimmten Tonraum nicht unterschreiten. Je nach Alter der Kinder variiert dieser. Als Faustregel kann gelten, dass das c’ nicht unterschritten werden sollte und die Lieder sich optimalerweise in der oberen Hälfte der eingestrichenen Oktave bewegen sollten.
2. Laustärke: Kinderstimmen nutzen eher die Resonanzräume im Kopf und klingen deswegen weniger laut und direkt als ausgewachsene Stimmen. Kinder ständig zu mehr Lautstärke aufzufordern, kann sich auf lange Sicht stimmschädigend auswirken.
3. Vorbilder: Die eigene Stimme sollte man daher beim Singen im Unterricht diesen Parametern anpassen und eher randstimmig singen. Wo immer möglich, ist es von Vorteil, Aufnahmen von singenden Kindern statt von singenden Erwachsenen zu verwenden. Leider haben Kinder im Alltag kaum Gelegenheit, Kinder in natürlicher Stimmlage singen zu hören, sondern werden stattdessen mit stark bearbeiteten Aufnahmen von erwachsenen Stimmen in extremen Lagen musikalisch sozialisiert.
4. Spielerische Praxis: Spiele mit motivierenden Wiederholungsanlässen sorgen dafür, dass die Kinder einen musikalischen Erfahrungsschatz aufbauen. Es geht weniger darum, gezielt gesangstechnische Themen zu bearbeiten, als viel mehr um Stimmexploration und Entwicklung der Tonhöhenvorstellung.
Musizieren mit allen Sinnen
Singen ist eine ganzkörperliche Erfahrung. Um einen akustischen Eindruck von der eigenen Stimme zu erhalten, macht es vielen Kindern Spaß, zum Beispiel in unterschiedliche Gefäße zu tönen oder sich beim Singen die Ohren zuzuhalten. Ein Luftballon, der beim Singen nahe an den Mund gehalten wird, macht die Schwingungen taktil wahrnehmbar. Auch die Vibrationen im eigenen Körper sind ein spannendes Erfahrungsfeld. Tonhöhenverläufe visuell umzusetzen, ist eine häufig genutzte Methode, die umso spannender wird, wenn sie nicht direkt mit dem Singen gekoppelt wird, denn dann fördert sie das innere Hören von Musik.
Das folgende Praxisbeispiel „Die Schildkröte im Regen“ richtet sich an Kinder im Alter von fünf bis zehn Jahren in Gruppen von bis zu 25 Kindern. Es bietet sich an, zwei bis drei aufbauende Stunden hierfür zu verwenden. Materialliste:
– Steel Tongue Drum (C-Dur),
– Wasserwanne mit Zubehör (Löffel, Pipetten…),
– Material für Rätsel (Schildkrötenfigur, Bilder- oder Buchstabenpuzzle).
Tropfenklänge
Eine Wasserwanne am Boden lädt zum spielerischen Erforschen von Tropfenklängen ein. Pipetten oder Löffel können als Werkzeuge dienen, um Wassertropfen einzeln in die Wanne fallen zu lassen. In großen Gruppen dürfen die Kinder nacheinander in Kleingruppen die Wasserklänge erzeugen, während alle anderen mit geschlossenen Augen lauschen. Alternativ kann hier auch ein Tonbeispiel verwendet werden.2
1 Mehr über die Grundlagen der Kinderstimmbildung kann man zum Beispiel im Handbuch der Kinderstimmbildung von Andreas Mohr (Schott, Mainz 1997) nachlesen.
2 https://youtu.be/ulJD-suchSQ (Stand: 8.1.2025).
Lesen Sie weiter in Ausgabe 1/2025.