Großmann, Linde

Die unbekannte Seele

Bemerkungen zum rechten Pedal des Klaviers

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 3/2015 , Seite 12

“Das Pedal verfügt neben allem anderen noch über die Fähigkeit, die Interpretation schön sinnlos zu machen.” Dieser Satz von Nathan Perelman, seinerzeit Professor am Petersburger Konservatorium, basiert sicher auf leidvollen Erfahrungen beim Hören von Klaviermusik. Dieser Artikel versucht die Gründe für mangelhaften Pedalgebrauch und dessen Merkmale anzudeuten sowie einige Wege zu seiner Verbesserung zu beschreiben.

Es ist eine allgemein anerkannte Überzeugung, dass der Pedalgebrauch eines der wichtigen Ausdrucksmittel beim Klavierspiel ist und entscheidende Bedeutung für Klang, Phrasierung und die Freiheit der Hände hat. Mein eigener Lehrer im Studium sagte, dass es genüge, auf die Füße eines Pianisten zu schauen, um zu sehen, ob dieser die Komposition verstanden habe oder nicht.
Umso erstaunlicher ist es, dass praktisch ausnahmslos alle Studierenden, mit denen ich bisher zu tun hatte, darüber klagten, dass sie im Rahmen des bisherigen Klavierunterrichts niemals wirklich gelernt hatten, was alles mit dem Pedal möglich ist und wie man es am besten betätigt. Zu einem bestimmten Zeitpunkt der Ausbildung kamen Stücke ins Repertoire, die ohne Pedal nicht mehr realisierbar waren. Von da an wurde Klavier mit Pedal gespielt. Man lernte, dass verschiedene Harmonien nicht ineinander klingen dürfen und dass es möglich ist, jetzt Töne miteinander zu verbinden, bei denen das sonst nicht gehen würde.
Darüber hinaus wird das Pedal oft unbewusst eingesetzt. Es ist zunächst nichts dagegen einzuwenden, dass PianistInnen ins­tinktiv pedalisieren, vielleicht besteht darin sogar das Ideal eines fortgeschrittenen Klavierspiels. Bei Schülern und Studierenden ist das Ergebnis dieses Vorgehens jedoch meist weit entfernt vom Ideal:
Es wird praktisch ausschließlich das nachgetretene („Binde“-)Pedal benutzt. Der rechte Fuß „schnappt“ immer sofort nach dem Anschlag nach dem Pedal, unabhängig davon, wie die Notenwerte der zu pedalisierenden Töne beschaffen sind. So erzeugt die Schnelligkeit des Niederdrückens oft ungewollte Geräusche. Grundsätzlich wird das Pedal immer mit etwa gleicher Geschwindigkeit sowohl niedergedrückt als auch aufgehoben. Geräusche entstehen auch manchmal dadurch, dass der Fuß zum Aufheben des Pedals den Pedalhebel verlässt und beim nächsten Treten aus der Luft auf ihn niederschlägt. In besonders extremen Fällen bleibt die Ferse des Spielers nicht am Boden – der ganze Fuß wird gehoben und dann mit voller Wucht auf das Pedal getreten.
Das Pedal wird immer auf die metrischen Schwerpunkte genommen und dort gewechselt, unabhängig davon, ob das überhaupt nötig ist. Bassnoten, die als Vorschläge sozusagen außerhalb der metrischen Schwerpunkte liegen (wie z. B. häufig bei Schumann), werden vom Pedal dadurch oft nicht erfasst. Wenn das nachgetretene Pedal dominiert, gibt es auch immer wieder Probleme an Stellen, wo der harmonische Basston mit dem Finger nicht gehalten werden kann (bei großen arpeggierten Akkorden und großräumigen Akkordbrechungen in der linken Hand, wie sie häufig in romantischer und dort vor allem virtuoser Musik vorkommen u. Ä.). Der rechte Fuß schafft es in diesen Fällen oft nicht rechtzeitig, diese wichtigen Töne zu erfassen.
Manche SpielerInnen fühlen den Punkt der Auslösung des Pedals nicht genau genug, was sie zwingt, mit dem Fuß größere Bewegungen zu machen als nötig: Schnelle Pedalwechsel werden dadurch erschwert oder sogar unmöglich gemacht, ebenso wie so genanntes Halb- oder Viertelpedal. Außerdem besteht die Tendenz, in Stücken, die ausgedehntere Pedalbenutzung erlauben, grundsätzlich den Fuß immer gesenkt zu halten und das Pedal nur zu wechseln, wo es harmonisch unabdingbar ist.
In Vorspielsituationen gerät unter Aufregung häufig als erstes das Pedal durcheinander, da es oft nicht bewusst erarbeitet wurde (die Spielenden halten sich sozusagen am Fuß fest, der dann nicht mehr präzise reagieren kann). In der Folge leidet dann oft auch die Koordination der Hände. Ebenso wird manchmal nicht registriert, dass eine schlechte Sitzhaltung auch den Pedalgebrauch beeinträchtigt: Eine Spielerin, die sich stark nach vorn neigt, erzeugt damit automatisch Druck auf die Füße, was feine Pedalwechsel erschwert; ein vom Klavier zu weit entfernter Sitz hat zur Folge, dass der Spieler beim Niedertreten des Pedals mehr Mühe aufwenden muss.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 3/2015.