Werner, Almut
Die verschwundenen Noten
Eine Geschichte für Blockflöte(n), Regiebuch/Spielpartitur
Generalprobe fürs Jahreskonzert an der Johann-Sebastian-Bach-Schule. Die jungen Flötisten packen ihre Noten aus, man spielt einen Begrüßungsboogie und möchte eigentlich mit Bach weitermachen. Alle Kinder wühlen verzweifelt nach der Gavotte – und was finden sie? Leere Blätter! Selbst die Lehrerin Hanna Harmonius, die sonst nie etwas vergisst, kann ihre Noten einfach nicht finden! Da stürmt auch schon der Hausmeister mit einem Radio in den Raum, aus dem nach sphärischem Rauschen und einigen Melodieschnipseln die Nachricht zu hören ist, dass auf geheimnisvolle Weise plötzlich weltweit alle Aufnahmen und Abschriften eben dieser Gavotte verschwunden seien.
Musiklehrerin Harmonius hat einen Verdacht: Erfindet ihr Gatte doch immer so eigenartige Dinge, mit denen Sohn Max dann Unsinn treibt… Und tatsächlich: Es hat ihn mit einer Zeitmaschine ins Jahr 1720 in die Wohnstätte der Familie Bach verschlagen – ohne Rückflugticket! Zum Glück sind da noch Harmonius’ Nichte und Neffe, die sich sogleich aufmachen, ihren Cousin Max zu retten – und die Gavotte am besten gleich mit.
Das ist in Kürze die Handlung der ersten Hälfte der (laut Vorwort) „spannenden Musikgeschichte“, die in Almut Werners neuem Blockflötenband erzählt wird. Ob die Rettung gelingt, soll nicht verraten werden; nur so viel: Am Ende des Abends kann dann doch noch die Gavotte erklingen…
Die Geschichte, die von einem Erzähler gelesen, aber auch halbszenisch oder szenisch illustriert werden kann, richtet sich an fortgeschrittene AnfängerInnen (nach mindestens zwei Unterrichtsjahren) auf der Sopranblockflöte zwischen acht und 14 Jahren im Einzel- und vor allem Gruppenunterricht (wobei es sich um tolerante 14-Jährige handeln sollte, da Handlung und Erzählweise der Geschichte doch recht kindlich anmuten). Der Ambitus bewegt sich zwischen c’ und a” plus diverse Überblastöne und ein paar Vorzeichen.
Als Lerninhalte werden Möglichkeiten der Klang- und Geräuscherzeugung auf der Blockflöte angeführt, aber auch Zusammenspiel und das Wissen über Bach und seine Zeit; das allerdings über die Tatsache, dass er um 1720 gelebt hat und einen Sohn Namens Wilhelm Friedemann hatte, der täglich mindestens eine Stunde Cembalo üben musste, nicht hinausgeht. Auf der Umschlagseite finden sich dann noch ein paar Fakten mehr.
Den Band nur wegen der Ausbeute an Stücken zu erstehen, würde nicht lohnen: diverse kurze Fragmente von Stücken, ein Boogie, dazu ein Kanon, ein Menuett, ein Lied und die besagte Gavotte von Bach, arrangiert für Blockflöten. Der Wert des Bandes kann also nur in einer Aufführung der gesamten Geschichte (von geschätzten zehn bis 15 Minuten Dauer, je nach gewählter Aufführungsform) liegen, die gleichwohl für die HörerInnen durchaus ihre Reize haben dürfte; weniger wegen der Handlung als wegen der spannenden Geräusche, die aus so einer Blockflöte dringen können…
Andrea Braun