Kurrle, Miriam

Die Zappelbremse

Über die Wirkung von Musik und Musiktherapie auf Kinder mit ADHS

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Wißner, Augsburg 2017
erschienen in: üben & musizieren 1/2018 , Seite 49

ADHS ist ein großes Thema in Musikpädagogik und -therapie. Instrumental- und GesangspädagogInnen sind auf der Suche nach praxiserprobten Konzepten für ihren Unterricht: Welches Lehrerverhalten wirkt sich günstig auf die Unterrichtssituation aus, wie lernen ADHS-Betroffene leichter und welche positiven Effekte sind durch Musikunterricht oder -therapie zu erwarten?
Obwohl es viele Betroffene gibt, liegen wissenschaftliche Studien oder Forschungen, die sich mit der Wirkung von Musik und Musiktherapie auf Kinder mit ADHS beschäftigen, derzeit nur in über­schaubarer Anzahl vor. Miriam Kurrle, Chorleiterin, Lehrerin und Sopranistin, hat es gewagt, sich diesem interessanten Themenfeld zu nähern.
Auf wissenschaftlich fundierte Art begibt sie sich auf Spuren­suche. Zunächst wird das häufig als „Modediagnose“ bezeichnete Krankheitsbild detailliert erläutert. Von der Symptomatik über die Diagnostik bis hin zu den Ur­sachen für das Entstehen von ADHS fasst die Autorin die bisherigen Erkenntnisse gut verständlich zusammen und schafft es auf diese Weise, auch LeserInnen ohne medizinisches Fachwissen Hintergründe näherzubringen. Auch die üblichen Behandlungsmöglichkeiten, sei es medikamentöser, verhaltenstherapeutischer oder sonderpädagogischer Art, greift sie ausführlich auf, bevor man zum eigentlichen Kern der Veröffentlichung, den Kapiteln über Musiktherapie, vordringt. Mit gut gewählten Beispielen aus verschiedenen Studien zeichnet sie ein plastisches Bild von der besonderen Wirkung, die die Musik und das Musizieren auf Körper und Gehirn hat.
Nach einem strukturierten Überblick über verschiedene Wege in der aktiven und rezeptiven Musiktherapie geht die Verfasserin auf die positiven Aspekte ein, die eine Musiktherapie bei ADHS-Betroffenen haben kann. Durch das Fallbeispiel eines zehnjäh­rigen Patienten des Hamburger Musiktherapeuten Christoph Sal­je gelingt Mirjam Kurrle ein guter Praxisbezug.
Für MusikpädagogInnen besonders lesenswert dürfte das letzte Drittel der Neuerscheinung sein, in welchem die Autorin gezielt ausgewählte Fachleute vorstellt, die aus ihren Erfahrungen in der Arbeit mit ADHS-Kindern berichten. Auch aus den im Schlussteil vorgestellten Umfragen unter ErgotherapeutInnen, Instrumentallehrkräften, SchulmusikerInnen, MusikschülerInnen und Eltern lassen sich spannende Erkenntnisse ziehen.
Die Zappelbremse ist eine elementare Publikation im Bereich Musik und Musiktherapie mit ADHS-Kindern, aus deren Informationen man eigene Schlüsse ziehen kann und muss. Kurrle verzichtet bewusst darauf, Lösungswege vorzuschlagen oder Ratschläge zu erteilen. Eine wichtige Veröffentlichung in einem spannenden und aktuellen Feld der Musikpädagogik, zu dem längst noch nicht alles erforscht und gesagt ist.
Kristin Thielemann