Weuthen, Kerstin

Digital unterstütztes Üben

Vom digitalen Hausaufgabenheft zum Übe-Mentoring-System

Rubrik: Digital
erschienen in: üben & musizieren 6/2023 , Seite 36

Wie kann eine einfache digitale Pinnwand genutzt werden, um SchülerInnen dazu zu motivieren, zu Hause zu üben, sich an relevante Unterrichtsinhalte zu erinnern und sich mit anderen über ihr Üben auszutauschen? Digitale Tools wie „Taskcards“ und Lernplattformen wie „Moodle“ können genutzt werden, um das häusliche Üben stärker mit den Inhalten des Unterrichts zu verknüpfen und die soziale Einbindung beim Üben zu fördern.

„Ich bin heute Ente 6“, postet die achtjährige Friederike auf unserer digitalen Pinnwand, die wir seit dem ersten Coronalockdown für eine Geigengruppe als Hausaufgabenheft nutzen. Das Bild mit den „Stimmungsenten“ aus der Sendung mit der Maus verwende ich zu Beginn der Unterrichtsstunde, um die Kinder mittels einer kurzen Improvisationsübung aus ihrem Alltag im Geigenunterricht ankommen zu lassen. Gleichzeitig ist es für alle anderen eine Rätselaufgabe, denn sie sollen herausfinden, welche Ente von den jeweiligen SpielerInnen vertont wird. Dieser Einstieg ist bei allen Kindern sehr beliebt.
Indem ich das Bild auf unsere digitale Pinnwand hochgeladen habe, gebe ich den Kindern den Impuls, dieses aus dem Unterricht vertraute Ritual auch zu Hause zum Beginn des Übens zu nutzen. So können sie an die Erfahrungen aus dem Unterricht anknüpfen und sich auf das Üben zu Hause mental und emotional einstimmen.
Dass Friederike die Möglichkeit nutzt, auf der Pinnwand selbst Nachrichten zu posten, um mir und der Gruppe ihre Stimmung zum Übebeginn mitzuteilen, freut mich und zeigt mir, dass sowohl die Übung als auch die Plattform von ihr genutzt wird und ihr wichtig ist.

Vom digitalen Hausaufgabenheft…

Für den Instrumental- oder Gesangsunterricht bietet sich ein digitales Hausaufgabenheft an, um Aufgaben oder Noten hochzuladen und die SchülerInnen einzeln oder als Gruppe über anstehende Termine zu informieren. Ein großer Vorteil hierbei ist, dass gerade im Gruppenunterricht alle SchülerInnen mit einem Eintrag oder Post erreicht werden können und ich als Lehrerin die Materialien und Nachrichten nicht allen SchülerInnen individuell übermitteln oder in ein analoges Hausaufgabenheft eintragen muss. Und da die Links zur Nutzung der Plattform meist (je nach Alter der SchülerInnen) über die Eltern abgerufen werden, sind auf diese Weise auch die Eltern schnell und effizient zu erreichen. Die Eltern sehen, womit die Kinder sich in der Geigenstunde beschäftigt haben und was sie zu Hause wieder aufgreifen und vertiefen können und sollen.
Links zu Playlists oder Videotutorials können die Pinnwand sinnvoll ergänzen und die SchülerInnen zu einer Beschäftigung mit Musik und dem eigenen Üben motivieren. Um die Partizipation meiner SchülerInnen zu steigern, rege ich sie dazu an, eigene Fragen, Ideen und Wunschstücke in das digitale Hausaufgabenheft hochzuladen und sich je nach Alter selbst Aufgaben zu stellen – als Herausforderungen für sich oder für die ganze Gruppe formuliert.
Mit der Zeit und der wachsenden Erfahrung im Umgang mit der digitalen Pinnwand bin ich dazu übergegangen, auch innerhalb einer Woche neue Aufgaben oder Ergänzungen zu Aufgaben zu posten. So erhalten die SchülerInnen von mir auch in einer Zeit Impulse, in der wir uns nicht analog sehen. Das Üben bleibt für sie dadurch spannend und erhält mehr Entwicklung und Dynamik. Ein Stück, von dem wir in der Unterrichtsstunde zunächst nur zwei Zeilen gespielt haben, kann im Laufe der Woche durch das Hochladen immer neuer Takte und Zeilen wachsen; und ein Motiv, das wir gemeinsam komponiert haben, kann von den SchülerInnen eigenständig weiterentwickelt und hochgeladen werden. Das Anhören der Kompositionen ihrer GruppenkollegInnen kann wiederum motivierend für die anderen SchülerInnen sein, die sich dann ebenfalls beteiligen und eigene Improvisationen und Kompositionen posten wollen.

…zum Übe-Mentoring-System

Meine subjektiven Erfahrungen mit einer digitalen Unterstützung des Übens teilte ich mit meinen KollegInnen, mit denen ich mich in der Unterarbeitsgruppe Unterricht der AG Digitale Chancen des Verbands deutscher Musikschulen (VdM) über die Möglichkeiten digitaler Tools für den Ins­trumental- und Gesangsunterricht austauschen konnte. Wir waren der Ansicht, dass es nach dem durch Corona notwendigerweise schnell erprobten und etablierten Onlineunterricht nun sinnvoll sei, den für das Musizierenlehren und -lernen in der Breite neu erschlossenen digitalen Raum zu nutzen, um die Zeit zwischen zwei (analogen) Unterrichtsstunden zu überbrücken. Es war uns ein Anliegen, ein digitales Übe-Mentoring-System zu konzipieren, um SchülerInnen und LehrerInnen Tools und Module an die Hand zu geben, das Üben digital zu unterstützen und die Lernwelt des Unterrichts für die SchülerInnen mit ihrer häuslichen Übesituation und ihren eigenen digitalen Erfahrungen mit Apps, Streaming-Portalen und anderen Tools zu verknüpfen.
Dabei soll der Begriff „Übe-Mentoring-System“ die Kombination aus systematischer Planung, Mentoring-Prinzipien (die durch Möglichkeiten zum Peer-Learning und einem digitalen Übe-Paten-Konzept auch als systemischer Ansatz verstanden und genutzt werden können) und digitalen Werkzeugen betonen, die eingesetzt werden, um SchülerInnen dabei zu unterstützen, ihre musikalischen Fähigkeiten durch gezieltes Üben zu verbessern und gleichzeitig die soziale Interaktion und Zusammenarbeit zu fördern.
Das von uns angedachte digitale Übe-Mentoring-System soll die SchülerInnen digital beim Üben unterstützen und den Zeitraum zwischen zwei Unterrichtsstunden überbrücken.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 6/2023.