Schumann, Clara

Drei Romanzen

für Violine und Klavier op. 22. Urtext, hg. von Jacqueline Ross

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bärenreiter, Kassel 2021
erschienen in: üben & musizieren 5/2021 , Seite 63

Die 1853 komponierten Romanzen op. 22 gehören zu den beliebtesten Kammermusikwerken Clara Schumanns. Dass die drei kurzen Stücke in wechselseitigem Austausch mit dem damals erst 22-jährigen Joseph Joachim und dem mit Robert Schumann befreundeten Geiger Wilhelm Joseph von Wasielewski entstanden sind, macht sie für die Aufführungspraxis besonders bedeutsam: So erarbeitete die Komponistin mit Wasielewski eine frühe Fassung der Romanze Nr. 1 Des-Dur, während Joachim wiederum an einer späteren, komplettierten Fassung sowie an der 1856 erfolgten Drucklegung der Erstausgabe von op. 22 beteiligt war.
Es ist das unbestreitbare Verdienst der Herausgeberin Jac­queline Ross, für die Erstellung ihrer kritischen Ausgabe neben diesem Erstdruck auch die zahlreichen Manuskriptquellen der Romanzen – darunter eine Arbeitshandschrift der Komponistin, die Präsentationsausgabe für Wasielewski und Joachim sowie die Kopistenstimmen aus dem Besitz der beiden Geiger – zu Rate gezogen und ausgewertet zu haben. Dabei fiel die Entscheidung, der neuen Edition zwei separate Violinstimmen beizugeben: Die erste enthält (wie auch die Klavierpartitur) den reinen Urtext, dessen Veränderungen gegenüber gängigen Druckausgaben im Kritischen Bericht dokumentiert werden. Die zweite Version hingegen wurde darüber hinaus von der Herausgeberin unter Berücksichtigung von aufführungspraktischen Gepflogenheiten der Entstehungszeit für die Praxis eingerichtet.
Damit gibt Ross interessierten InterpretInnen Einstudierungshilfen zur Hand, die sich anhand ausführlicher Hinweise zur Aufführungspraxis am Ende der Klavierpartitur verifizieren und vertiefen, aber (unter Benutzung des Urtextes) durchaus auch eigenständig erarbeiten lassen. Auf zeitgenössische Textquellen ebenso wie auf wissenschaftliche Literatur gestützt beschreibt die Herausgeberin in diesem Kommentar zunächst ganz allgemein die einzelnen Parameter der musikalischen Gestaltung – beispielsweise den flexiblen Umgang mit Tempo und Rhythmus, die Praxis des expressiven Fingersatzes oder die Ausführung von dynamischen Angaben und Pedalisierungsanweisungen –, um diese Ausführungen dann unter Angabe von Takten auf die drei Romanzen zu übertragen.
Die wertvollen interpretatorischen Impulse, die sich aus dieser hilfreichen Zusammenstellung von Informationen gewinnen lassen, können darüber hinaus noch einmal durch einen Blick auf die von Wasielewski bezeichnete Violinstimme zur ersten Romanze bereichert werden, die sich vor allem im Hinblick auf die Phrasierung deutlich vom Erstdruck unterscheidet. Einziges Manko der ansonsten vorbildlichen Ausgabe ist die nicht nachvollziehbare Entscheidung, lediglich die kurze Werkeinführung ins Deutsche zu übersetzen, den Kritischen Bericht und die aufführungspraktischen Hinweise dagegen im englischsprachigen Original abzudrucken.
Stefan Drees