© Musikhochschule Mannheim

Busch, Barbara

Duales Prinzip

Plädoyer für die Einführung dualer Studiengänge an ­Musikhochschulen

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 3/2021 , Seite 12

Welche künstlerischen, pädagogischen und wissenschaftlichen Fertig­keiten sind in der Studienzeit zu erwerben, um erfolgreich ­musizierpädagogisch arbeiten zu können? Keine leichte Frage, wenn man bedenkt, dass das Profil von Musizier­pädagogInnen von der Vermittlung musikbezogener Basiskompetenzen über das Musizieren im Ensemble bis hin zur Studienvorbereitung reichen kann. Mehr denn je dürfte es die Aufgabe von Musikhochschulen sein, diese Frage im Bündnis mit den Akteuren des Berufsfelds, mithin gemeinsam mit Musik­schulen, neu zu beantworten. Dabei können sie auf die rund 50-jährigen Erfahrungen zurückgreifen, die im Rahmen dualer Studien­gänge bereits gesammelt worden sind.

Inwiefern muss ein künstlerisch-pädagogisches Studium von unmittelbarem Nutzen für die Berufspraxis sein? Hinter dieser Frage verbirgt sich ein ewig junges Prob­lem. Doch angesichts einer sich ebenso rasant wie massiv verändernden, durchaus unübersichtlichen musizierpädagogischen Berufswelt, die zwischen sogenannter musikalischer Breitenbildung in Gruppen und fachlich spezia­lisierter Individualförderung im Einzelunterricht changiert, stellt sich an Musikhochschulen diese Frage zunehmend drängend. Dass sich auch Musikschulen in die Diskussion einschalten, erklärt sich vor dem Hintergrund eines offensichtlich vielerorts wachsenden Mangels an explizit für den Berufsalltag qualifiziertem Personal. Insofern ist es naheliegend, dass Musikhochschulen und Musikschulen das Ziel der Beschäftigungsfähigkeit gemeinsam in den Blick nehmen – und sich dabei auf das duale Prinzip besinnen.

Das duale Prinzip

Berufsausbildungen werden in Deutschland gewöhnlich im dualen System durchgeführt, das heißt beruflich relevante Fertigkeiten und Kenntnisse werden zum einen in einem Ausbildungsbetrieb erworben und zum anderen in der Berufsschule. Dieses Prinzip, Lerninhalte auf zwei Orte zu verteilen, fand in den 1970er Jahren Eingang in den Hochschulbereich und führte (zunächst in den Bereichen der Betriebswirtschaftslehre und der Ingenieurswissenschaften) zur Entwicklung dualer Studien­gänge: Mit ihrer Verzahnung von praxisnaher mit akademisch fundierter Ausbildung stellen sie bis heute eine wichtige Brücke zwischen den Säulen akademischer und beruflicher Bildung dar.1
Wer ein Musikstudium aufnimmt, der lernt in der Regel geradezu automatisch an mindestens zwei Orten, weil eine künstlerische und musizierpädagogische Berufs­tätigkeit für die meisten zum Studienalltag selbstverständlich dazu gehören, sodass (mehr oder weniger bewusst) „berufsbegleitend“ studiert wird.
In Studienreformen sollte das in parallelen Lernwelten schlummernde Potenzial intensiv(er) genutzt und gemeinsam mit den „Machern von Kultur und Bildung“ entfaltet werden. Mit dieser Zielsetzung vor Augen werden im Folgenden Kernideen dualer Studiengänge benannt sowie Qualitätskriterien skizziert, die bei der Verknüpfung beruflicher Anforderungen mit Studiengangskonzepten zu bedenken sind. Dies geschieht ausgehend von vier Thesen, die wie Koordinaten den Raum beschreiben, innerhalb dessen die Verzahnung beruflicher und akademisch-musikalischer Bildung stattfindet.

1 Steigende Studierendenzahlen, ein konkreter Ausbildungsbedarf sowie der mächtige Einfluss einzelner Unternehmen führten dazu, dass auf Basis des 1972 u. a. von Mercedes-Benz entwickelten „Stuttgarter Modells“ sowie mit Gründung der Berufsakademie Baden-Württemberg im Jahr 1974 erstmals akademische Bildung und praxisnahe Ausbildung in einem Studiengang zusammengefasst wurden. Bemerkenswert ist, dass 1972, also zeitgleich, die Berliner Philharmoniker ihre Orches­terakademie als erste Einrichtung dieser Art in Deutschland ins Leben riefen und damit offensichtlich auf ein Ausbildungsdefizit der Musikhochschulen, auf eine fehlende „passgenaue“ Hinführung zum Orchesterspiel, reagierten: Nach einem Hochschulstudium und einem strengen Auswahlverfahren erfolgt eine zweijäh­rige, „orchesterinterne“ Ausbildung, in der die Stipendiaten explizit, quasi berufsbegleitend, auf das Orchesterspiel vorbereitet werden. Zur Entstehung und Legitimität dualer Studiengänge vgl. Kathrin Brünner/Angela Chvos­ta/Simon Oertel: „Die Institutionalisierung dualer Studiengänge: Hintergründe, Verlauf und Entwicklung“, in: Uwe Faßhauer/Eckart Severing (Hg.): Verzahnung beruflicher und akademischer Bildung. Duale Studiengänge in Theorie und Praxis, Bonn 2016, S. 63-80.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 3/2021.