Gárdonyi, Zsolt

Duettini cimbri per due violoncelli

Violoncello-Duos über alte cimbrische Volkslieder, Partitur und Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Ostinato-Musikverlag, Salzgitter 2019
erschienen in: üben & musizieren 2/2021 , Seite 63

Nicht von jenen Kimbern, die die Römer einst das Fürchten lehrten, sondern von bayerischen „Zimmer“-Leuten (Holzschnitzern), die im 11. Jahrhundert von Hungersnöten getrieben gen Süden zogen, leitet sich mutmaßlich der Begriff „cimbri“ ab: Bis heute hat sich im norditalienischen Trentino eine Sprachinsel erhalten, in der Zimbrisch, eine Art alt-bayerischer Dialekt, gesprochen wird. In dieser Gegend ist das Asiago-Musikfestival beheimatet, es wird seit 1992 vom Cellisten Julius Berger geleitet. Alljährlich vergibt das Festival Kompositionsaufträge, im Jahr 2014 wurde Zsolt Gárdonyi diese Ehre zuteil. Gárdonyis „zimbrische“ Cello­duette erlebten ihre Uraufführung am 12. August 2014 durch Mitglieder des Ensembles „Cello Passionato“, einer Gruppe, die sich aus dem Festivalleiter, seiner Ehefrau Hyun-Jung und diversen SchülerInnen Bergers zusammensetzt.
Über (fast) all dies sowie über Werk und Wirken des Komponisten schweigt sich die vorliegende Edition aus. Warum? Gern ­erfahren wir Näheres über die Hintergründe der Noten, die wir spielen und unseren SchülerInnen an die Hand geben. Zsolt Gárdonyi wurde 1946 in Budapest geboren und lebt seit Studientagen in Deutschland. Er wirkte als Organist in Wildeshausen, wurde 1980 Kompositionsprofessor in Würzburg und hat mit Orgelkonzerten, musiktheoretischen Arbeiten und zahlreichen (insbesondere kirchenmusikalischen) Kompositionen ein vielfältiges Œuvre vorgelegt. Seine Musik orientiert sich an traditionellen Formen und einer erweiterten Funktionsharmonik.
Die seinen Duettini zu Grunde liegenden Volksmelodien erfahren durch den Kompositionsprozess mithin keine Transposition in polytonale Regionen, wie wir sie etwa aus Bartóks Duetten für zwei Violinen kennen. Die drei Stücke – Dar hotar summar morgond („Der angebrochene Sommermorgen“), O baip, o baip („O Weib, o Weib“) und Trink bain, trink („Trink Wein, trink“) – stehen in ungetrübtem C-Dur, G-Dur und D-Dur. Zwischen den beiden Stimmen besteht keine im eigentlichen Sinn kontrapunktische Relation, indes wechseln Melodie und Begleitung ständig zwischen „oben“ und „unten“.
Allzu große technische Anforderungen stellen die Duettini nicht, allerdings sollten beide SpielerInnen über Griffsicherheit im Bereich V. bis VII. Lage verfügen. In den letzten Takten wird die Cello-I-Stimme einmal in die d’-a’-Daumenlage geführt. Beide Parts enthalten viele Doppelklänge und Akkorde, die meisten sind durch Einbeziehung leerer Saiten indes nicht schwierig zu spielen. In der Cello-II-Stimme fehlt wohl eine Spielanweisung: Vermutlich soll in Takt 6 von Trink bain, trink von „pizz.“ auf „arco“ umgeschaltet werden?
Eine hübsche Petitesse, für Fortgeschrittene aufgrund der Volksmusik-Attitüde vielleicht nicht übermäßig attraktiv, als musikalischer Wegweiser zu einer Sprach- und Kulturinsel innerhalb Europas allemal wertvoll.
Gerhard Anders