Mahlert, Ulrich

„Ehrsucht“ und „mässige Lustigkeit“

Johann Sebastian Bachs Sarabande a-Moll für Flöte solo

Rubrik: Praxis
erschienen in: üben & musizieren 3/2015 , Seite 27

Musikalische Interpretation kann beschrieben werden als Auffassung und Widergabe “von” etwas “als” etwas. Der Notentext liegt vor. Als was aber wird er verstanden und verklanglicht? Im jeweiligen “als” liegt die Besonderheit einer Interpretation.

„Wie oft habe ich dieses Stück gespielt – im Unterricht, auf Meisterkursen, in Konzerten und Prüfungen… Jeder Lehrer, der mit mir daran arbeitete, wischte erst mal beiseite, was ich aus einem anderen Unterricht mitgebracht hatte.“ Dies sagte mir eine Studentin in einem Seminar über Interpretation, in dem wir uns mit Bachs Sarabande aus der Partita a-Moll für Flöte solo BWV 1013 beschäftigten. Die vielen verschiedenen „Auffassungen“ ihrer Lehrerinnen und Lehrer hatten sie verunsichert. Begründungen der jeweiligen interpretatorischen Vorgaben hatte sie kaum erhalten. Jedesmal fühlte sie sich als „Spielball“ einer einseitigen Sicht. Ihr Eindruck war: Jeder Lehrer suchte sich mit seiner persönlichen Auffassung von diesem allen Flötisten so vertrauten Stück zu profilieren. Klarer war ihr das Stück durch die diversen Anweisungen nicht wirklich geworden.
Ein auf Befähigung zum Interpretieren ausgerichteter Unterricht tut gut daran, verschiedene sinnvolle „Als“-Möglichkeiten zu finden, sie zu erproben, zu verfeinern, zu vergleichen und zu reflektieren. Vielleicht ergibt sich daraus am Ende eine im individuellen Spiel besonders überzeugende Art der Interpretation, vielleicht auch bleiben verschiedene Gestaltungsweisen als sinnvolle Möglichkeiten nebeneinander stehen. Entscheidend ist: Der Spielraum diverser Verstehensmöglichkeiten wurde aufgetan und exploriert – und nicht, wie es so oft geschieht, durch Lehre von vornherein eingeengt.

Charakter – Tanz – Spiel – Rede – Monolog

Die wohl nächstliegende Orientierung für die Interpretation des vorliegenden Stücks bietet die Bezeichnung Sarabande. Sie schafft allerdings keineswegs Eindeutigkeit, sondern führt im Gegenteil zu verschiedenen Gestaltungsoptionen.
Bedenken wir Bachs Sarabande ausgehend von zeitgenössischen Charakterisierungen diese Tanzes. Als fester Bestandteil der Kernsätze von Suiten und Partiten war die Sarabande zur Bach-Zeit keineswegs mehr wie im frühen 17. Jahrhundert ein oft lebhafter und mitunter lasziver, sondern vielmehr ein gemessener und gesetzter Tanz. Wie, „als was“ ist eine Sarabande zu spielen?

Lesen Sie weiter in Ausgabe 3/2015.