Bradler, Katharina
Eigenständig lernen
Kooperatives und selbstreguliertes Lernen – Ideen für den Instrumentalunterricht
In der schulischen Pädagogik gehören sie seit vielen Jahren zum Unterrichtsalltag, im Instrumentalunterricht hingegen sind sie kaum verbreitet: kooperative und selbstregulierte Lernformen. Katharina Bradler stellt einige Ideen vor, die elementhaft aufgegriffen werden können und möglicherweise Impulse zu neuen Unterrichtssettings geben.
Kooperative und selbstregulierte Lernformen führen in der Instrumentalpädagogik noch immer ein Schattendasein. Das zeigt sich nicht nur in gängigen Lehrwerken, sondern auch in neueren Forschungsergebnissen.1 Und das, obwohl diverse Musikerbiografien den Erfolg belegen.2 Ich möchte daher dazu ermuntern, entsprechende Strategien im Instrumentalunterricht individuell aufzugreifen – ohne dem Unterricht dabei ein entmusikalisierendes oder antikünstlerisches „Methodikkorsett“ anziehen zu wollen.
Kooperatives Lernen bezieht sich auf den Gruppenunterricht und bedeutet so viel wie „von- und miteinander lernen“. Selbstreguliertes Lernen versteht sich unabhängig von der Sozialform als eine bestimmte Art zu lernen, bei der die Lernprozesse vom Schüler oder der Schülerin selbstständig gesteuert werden. In beiden Fällen nimmt die Lehrperson die Rolle einer Unterstützerin ein, die lediglich moderierend im Hintergrund agiert. Beide Lernformen sind daher einer konstruktivistischen Sichtweise3 bzw. einer „Ermöglichungsdidaktik“4 verpflichtet. Im Zentrum steht der bzw. die Lernende, nicht die Lehrperson. Sowohl kooperative als auch selbstregulierende Methoden zeichnen sich durch ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit der SchülerInnen aus.
Kooperatives Lernen
Beim kooperativen oder kollaborativen Lernen arbeiten die SchülerInnen gemeinsam aktiv, selbstständig und sozial in (kleinen) Gruppen.5 Durch die gegenseitige Unterstützung beim Erwerb von Fertigkeiten wird dieser Lernform eine sozialintegrative Wirkung zugeschrieben. Es gibt verschiedene Methoden des kooperativen Lernens, die auf die Leistungsheterogenität von Lerngruppen eingehen.6 Eine wichtige Rolle spielen hierbei der Aufbau eines Vertrauensklimas sowie das Einüben kommunikativer Fähigkeiten, wie etwa das Übermitteln kongruenter Botschaften, wertungsfreies Paraphrasieren sowie aktives Zuhören.7
Wichtig ist die Einsicht, dass Gruppenarbeit nicht automatisch kooperativ ist! Um kooperative Lernsituationen zu schaffen, gilt es, verschiedene Faktoren zu berücksichtigen. Insbesondere stehen Lehrende vor der Aufgabe, keine unangenehme Wettbewerbssituation zu begünstigen und alle Lernenden durch eine entsprechende Aufgabenstellung in den Arbeitsauftrag zu involvieren. Orientierung bieten können in diesem Zusammenhang die fünf Basiselemente kooperativen Lernens nach Johnson und Johnson:8
1. Positive Interdependenz: Die Lernaufgaben müssen so gestellt sein, dass zur gemeinsamen Zielerreichung eine koordinierte Zusammenarbeit zwischen den Lernenden erforderlich ist.
2. Individuelle Verantwortlichkeit: Der Beitrag des Einzelnen muss am Zustandekommen der Gruppenleistung erkennbar sein.
3. Förderliche Interaktionen: soziale Interaktionen, die das wechselseitige Erklären, Korrigieren, Erproben und Erkennen unterschiedlicher Perspektiven ermöglichen.
4. Kooperative Arbeitstechniken: Lernende sind gewillt, miteinander zu kommunizieren und ein vertrauensvolles Gruppenklima aufzubauen, Führungsaufgaben zu übernehmen und anzuerkennen.
5. Reflexive Prozesse: Die Lernprozesse in der Gruppe werden auf einer Meta-Ebene fokussiert und kommentiert.
1 Vortrag Ulrike Kranefeld auf dem Symposium „Musizieren als Herzstück des instrumentalen Gruppenunterrichts“ an der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien am 13. März 2015.
2 Man denke etwa an informelle Settings, wo PopmusikerInnen in Peergroups voneinander lernen; vgl. hierzu auch Lucy Green: How Popular Musicians learn. A way ahead of music education, Farnham 2010.
3 vgl. hierzu Kersten Reich: Konstruktivistische Didaktik. Lehr- und Studienbuch mit Methodenpool, Weinheim 32006.
4 vgl. Ulrich Mahlert: Wege zum Musizieren. Methoden im Instrumental- und Vokalunterricht, Mainz 2011, S. 37 ff.
5 vgl. Marcus Hasselhorn/Andreas Gold: Pädagogische Psychologie. Erfolgreiches Lernen und Lehren, Stuttgart 32013, S. 308.
6 s. Margit Weidner: Kooperatives Lernen im Unterricht. Das Arbeitsbuch, Seelze-Velber 22005, S. 143 ff. und Frank Borsch: Kooperatives Lehren und Lernen im schulischen Unterricht, Stuttgart 2010, S. 37 ff.
7 vgl. Hasselhorn/Gold, S. 308.
8 zit. nach Hasselhorn/Gold, S. 310.
Lesen Sie weiter in Ausgabe 1/2016.