Beck, Thomas Taxus

Ein Dreiklang ist kein Wald

Oder Praxisschock Kompositionspädagogik? Sachdienliche Hinweise für Schule und Musikschule

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: ConBrio, Regensburg 2020
erschienen in: üben & musizieren 4/2021 , Seite 58

„Nun. Also, hm. Auch. Was soll ich sagen, ehrlicherweise?“ – Gekonnte Lautpoesie oder unzensierte Écriture automatique am Ende eines Buchs, mit dem der Komponist und Kompositionslehrer Thomas Taxus Beck, Leiter des Fachbereichs Komposi­tion, Improvisation und Musiktheorie an der Rheinischen Musikschule Köln, seine Zunft und sich selbstr unter die Lupe und aufs Korn nimmt? Beides, können wir beglückt sagen. Denn das auf Vorträgen und Texten von 2005 bis 2018 basierende Buch sprudelt nur so vor Witz und Volten, wobei es zugleich wohlkomponiert und wirkungsvoll gefügt ist.
Eine Rhapsodie übers Komponieren in Form einer Komposi­tion selbst, ein Such-Buch in vier Kapiteln zu I. Arbeit, Leiden und (Über-)Leben von freischaffenden Komponisten, II. ihrer künstlerisch-pädagogischen Tätigkeit an Musikschulen, III. Projekten an Schulen und IV. einem Schulprojekt im Einzelnen, mit zwei Anhängen zu Ablauf und Ergebnissen sowie einem umfangreichen Literaturverzeichnis.
Lässt der Autor seiner Formulierungslust in den „illusionslo­se(n) Betrachtungen“ zur prekären Arbeit des Komponisten zwischen „Geldarbeit“ und (unter- bis unbezahlter) „Kunstarbeit“ in einer köstlichen Mischung aus Künstlersatire, soziologischer Studie und ausschweifendem Seelensermon freien Lauf, so wird der Ton im zweiten Kapitel ernster. Erfahrungsberichte und Begründungen des Fachs an Musikschulen, „analytische Innenbetrachtungen“ zum Verhältnis von Kunst und Pädagogik, Beschreibungen von Schülern und Kernfragen zur Qualifikation von Lehrkräften spannen ein weites Spektrum auf, dessen Herzstück verschiedene Unterrichtsformate und eine kurzgefasste Didaktik des Kompositionsunterrichts bilden.
Das kürzere Kapitel III zu Komponisten an Schulen beschreibt eine Bewegung von der Dekons­truktion hohler Vermittlungsfloskeln wie „Ohren öffnen“ und „Berühren wollen“ zu ihrer subs­tanziellen Füllung: als Appell an Lehrende, ihre Sinne zu schärfen für die Schwingungen der Schüler, sich selbst berühren zu lassen und der Musik „die Berührung zu überlassen“.
Im letzten und längsten Kapitel beschreibt Beck detailliert Faktoren und Schritte eines Schulprojekts vom Anfang bis zum Abschlusskonzert und gießt ein Füllhorn aus von Ideen, Anlässen, Themen aus der Welt der Schüler, Instrumenten, Spieltechniken, Stil- und Hörübungen, Beispielwerken und Reflexionen.
Das Buch ist köstlich, kostbar, ernst und heiter, humorvoll, stil- und gattungssprengend, vergnüglich und genussvoll zu lesen (zudem hervorragend lektoriert und gesetzt) – und bei allen satirischen Übertreibungen von einem hohen kompositorischen Ernst und pädagogischen Ethos getragen. Kein besseres Plädoyer ist denkbar für das junge Fach als dieses wunderbare, witzig-weise, weitgespannte Buch.
Wolfgang Rüdiger