Stiller, Barbara

Eine Kita voller Musik

Kulturelle Lebenskompetenz von Anfang an

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 1/2009 , Seite 20

Aktuelle, bundesweit unter Bildungs- und Sozialpolitikern, Kultur­schaffen­den und Gesellschaftswissenschaft­lern geführte Diskussionen zeigen deutlicher denn je: Globale Ziele zum Erhalt einer zukunftsfähigen Ge­sell­schaft lassen sich nicht ohne die ­aktive Teilhabe an Kunst und Kultur erreichen. Dass eine frühe Beschäf­tigung mit Musik in diesem Kontext eine zentrale Rolle spielt, ist hinlänglich bekannt.

Menschen brauchen Musik zum Leben und Kultur zu ihrer Orientierung. Die menschliche Empfindungs- und Ausdrucksfähigkeit wird durch möglichst früh beginnende musikalische Aktivitäten ebenso geschult wie ein gesellschaftlich notwendiges Sozial- und Toleranzverhalten oder eine allgemein menschliche Widerstandskraft.1 Jeder stimmt zu, wenn es wieder einmal heißt, dass Musik für Kinder wichtig sei. Die Gefahr ist jedoch groß, dass der Begriff Musik in diesen Diskussionszusammenhängen lediglich eine Platzhalterfunktion einnimmt. Die konkrete Antwort, wie die inhaltlichen, strukturell-­organisatorischen und institutionellen Wege geebnet werden müssen, damit alle in Deutschland lebenden Kinder von frühester Kindheit an eine Chance auf eine wahrhaft nachhaltige, kulturelle Bildung mit Musik erhalten, bleibt dabei oftmals diffus.2
Bewegung und Tanz zur Förderung der Motorik, Stimmbildung zur Aktivierung der Mundwerkzeuge, Singen in Fremdsprachen für die allgemeine Sprachentwicklung, erste Kontakte mit Musik unterschiedlicher Kulturen, inst­rumentale Improvisationsspiele zur Anregung lebenserhaltender Fantasiebildungskräfte: Solche Lernbereiche tauchen immer wieder auf in Plädoyers für musikalische ­Tätigkeiten mit Babys, Klein- und Vorschulkindern.
Dass die Musik in erster Linie jedoch um ihrer selbst und der allgemeinen Kunst willen betrieben wird und so zu Erlebnissen führt, die mitunter einen positiv prägenden Einfluss auf das weitere Leben haben, musste von MusikpädagogInnen gebetsmühlenartig postuliert werden. Mittlerweile hat sich diese Anschauung, u. a. als Reaktion auf die Bas­tian-Studie,3 weitgehend durchgesetzt. Was viele Diskussionen nach wie vor vermissen lassen, ist die Forderung nach einer umfassenden Qualitätssicherung von Musikunterricht und Musikvermittlung für junge Kinder. Es versteht sich von selbst, dass die Absicht, Kinder früh an Musik heranzuführen, von allen Anleitenden ausnahmslos gut gemeint ist. Dennoch muss an dieser Stelle gesagt werden, dass sozial- und spielpädagogisch motivierte Aktivitäten mit Musik, wie sie mitunter in Gruppen des Prager-Eltern-Kind-Programms, bei der Babymassage sowie in zahlreichen Krippen, Kitas, Kinderturn-, -tanz- und Spielgruppen stattfinden, oftmals musikalisch und ästhetisch defizitär bleiben.

1 vgl. Michael Dartsch (Hg.): Musikalische Bildung von Anfang an. Perspektiven aus Entwicklungspsychologie und Pädagogik, Bonn 2007.
2 Diesem Text liegt der Artikel 31 der UN-Kinderrechtskonventionen zugrunde: „Jedes Kind hat ein Recht auf Ruhe und Freizeit sowie ein Recht auf Spiel und Beteiligung am kulturellen und künstlerischen Leben“, sowie Artikel 10 des Landesrechts Rheinland-Pfalz: „Kinder haben das Recht zu spielen, sich zu erholen und künstlerisch tätig zu sein.“
3 vgl. Hans-Günther Bastian.: Musikerziehung und ihre Wirkung, Mainz 2000.

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