Teubner, Wolfgang

Eine tiefgreifende Bewegung

10 Jahre Pädagogische Arbeitsgemeinschaft Kontrabass Baden-Württemberg

Rubrik: Bericht
erschienen in: üben & musizieren 6/2011 , Seite 40

Die KontrabassistInnen machen mobil: Sie treten nicht mehr einzeln, sondern immer öfter in Gruppen auf, sie vereinigen sich, sie wachsen zur Szene. Zu keiner Zeit gab es so viele BassistInnen, die solistisch auftreten können, noch nie gab es so viele verschiedene Tonträger mit hochinteressanten Solowerken für Kontrabass und Klavier bzw. mit Orchester. Zur Internationalen Double-Bass-Convention „BASS 2010“ kamen im vergangenen Jahr mehr als eintausend Zuhörer nach Berlin, um die hochkarätigen Bassisten aus über dreißig Ländern zu sehen und zu hören.
Die Zeiten sind vorbei, in denen man über die Schwerfälligkeit und Intonationsschwächen des tiefsten Streichinstruments Witze riss. Diese waren lange Zeit berechtigt: Wie haben die Bassisten zum Beispiel die überaus anspruchsvollen Stimmen der Werke von Richard Wagner gespielt, ohne ein wirklich geregeltes Lagenspiel zu kennen? Der tschechisch-österreichische Bassist Franz Simandl (1840-1912), den Wagner in sein Festspiel­orchester nach Bayreuth berief, war einer der ersten, der eine wirklich fundierte Schule vorlegte und so für Profis und Laien eine Grundlage für ein systematisches und abgesichertes Spiel entwickelte. Inzwischen ist spieltechnisch viel passiert, es gibt zahlreiche Schulwerke, hervorragende ProfessorInnen und Lehrkräfte und daraus resultierend reichlich Bewerbungen bei allen Probespielen in den Orchestern.
Wirkliche Bass-Bewegungen sind dagegen noch relativ jung. Es geht dabei hauptsächlich darum, eine frühe Pädagogik zu entwerfen, um Kinder und Jugendliche recht bald an das Instrument zu führen: Wenn man erst mit fünfzehn oder sechzehn Jahren mit dem Unterricht beginnt, ist das im Vergleich zu anderen Instrumenten viel zu spät. Also wurden Kinderbässe gebaut, Achtel- oder Sechzehntel-Kontrabässe, die klanglich durchaus ansprechend und für das Musizieren in Schulorchestern bestens geeignet sind. Man kann daher heute bereits mit sechs oder sieben Jahren anfangen zu spielen.
Eine der Initiatorinnen dazu war die Pädagogische Arbeitsgemeinschaft Kontrabass Baden-Württemberg (PAK-BW). Unter der Leitung des engagierten Bass-Lehrers Song Choi von der Jugendmusikschule Württembergisches Allgäu in Wangen schlossen sich im September 2001 eine Reihe von Kontrabass-Lehrkräften an Musikschulen zusammen, um in gemeinsamen Fortbildungen neue Unterrichtsmodelle zu diskutieren und Erfahrungen auszutauschen. Von dem Wissen ausgehend, dass es ohne Breitenförderung keine Spitzenförderung geben kann, findet seit 2003 jährlich ein Kontrabass-Workshop für junge Schülerinnen und Schüler aller Ausbildungsstufen in der Landesakademie für die musizierenden Jugend in Ochsenhausen statt. Unter Leitung und Aufsicht bekannter Lehrkräfte und DozentInnen wurden hier die Anliegen des Kontrabass-Spiels in ihrer ganzen Bandbreite besprochen und praktiziert. Inzwischen hat sich das zu einer festen Institution etabliert und der Zulauf ist in jedem Jahr enorm. Viele positive Rückmeldungen von Persönlichkeiten der musikalischen Öffentlichkeit, u. a. von Dirigenten, Inst­rumentalsolisten und Professoren, liegen inzwischen vor: Man begleitet diese konst­ruktive, vorausschauende Arbeit mit großer Anteilnahme.
Der jüngste Workshop fand vom 30. September bis 3. Oktober 2011 in Ochsenhausen statt. Es hatten sich sechzig TeilnehmerInnen von 12 bis 60 Jahren angemeldet, die in Einzelstunden an ihrer Technik feilen konnten und in verschiedenen Ensembles das Zusammenspiel probten. Das Tutti-Bass-Orchester spielte zum Abschluss als Uraufführung das Werk Tune up von Stefan Schäfer, Solobassist der Hamburger Philharmoniker, der als Composer in residence zu diesem Workshop eingeladen war. Im Jubiläumsjahr hatte man zudem zwei Masterclasses ausgeschrieben, einen Klassik-Kurs mit dem prominenten Bassisten Duncan McTier, Professor an der Royal Academy of Music in London, und einen Jazz-Kurs mit Mini Schulz, Bass-Professor an der Stuttgarter Musikhochschule. Die Hochschullehrer, die sonst nur mit Studierenden arbeiten, waren sehr angetan von den Leistungen und der Arbeitshaltung der Jugendlichen. Die PAK-BW veranstaltete in Zusammenarbeit mit StudentInnen der Stuttgarter Musikhochschule ein eigenes Konzert. Ein besonderer Höhepunkt des diesjährigen Workshops aber war das hochinspirierte Konzert von Duncan McTier im Bibliothekssaal des ehemaligen Klosters vor fachkundigen Zuhörern. Er wurde begleitet von der englischen Pianistin Kathron Sturrock, die extra aus London angereist war.
Der zehnjährige Geburtstag der PAK-BW wurde zu einem besonderen Ereignis, an das die insgesamt etwa neunzig TeilnehmerInnen gern zurückdenken werden. Er gab Auftrieb und Visionen, Anreize und Ideen für die Arbeit im zweiten Jahrzehnt. Möglich gemacht wurde dieses Engagement der Verantwort­lichen durch die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem Landesverband der Musikschulen in Baden Württemberg, der Landesakademie und den drei wichtigen Sponsoren Pirastro, Bassico und der Allgäuer Beraterfirma essence, ohne deren Hilfe die Kos­ten nicht zu schultern gewesen wären.

Lesen Sie weitere Beiträge in Ausgabe 6/2011.