Mertens, Gerald
Einsatz fürs „Musikland D“
Die Deutsche Orchestervereinigung (DOV) unterstützt auch Lehrbeauftragte an Musikhochschulen und Freischaffende
Die Deutsche Orchestervereinigung (DOV) ist sowohl als Berufsverband als auch als Gewerkschaft der Orchestermusiker, Rundfunkchorsänger, der freischaffenden Musiker und der Lehrbeauftragten an Musikhochschulen auf vielfältige Art für ihre Mitglieder tätig. Als Gewerkschaft setzt sie sich vor allem für die Regelung der Arbeits- und Vergütungsbedingungen ihrer rund 12800 Mitglieder ein. Dies geschieht insbesondere durch den Abschluss von Tarifverträgen. Da es in Deutschland, anders als in anderen Ländern, keinen echten „Orchesterverband“ gibt, nimmt die DOV auch Teile dieser klassischen Verbandsaufgaben wahr. Die DOV leitet ihre Rolle und ihr Selbstverständnis aus ihrem hohen Organisationsgrad von über 90 Prozent in allen Berufsorchestern und der Tatsache ab, dass die Musikerinnen und Musiker selbst die wichtigste und bestimmende Ressource eines Orchesterbetriebs sind.
Lehrbeauftragte und Freischaffende
Jenseits der Regelung und Verbesserung der Arbeitsbedingungen für professionelle Musikerinnen und Musiker setzt sich die DOV auch für ihre freischaffenden Mitglieder, die Lehrbeauftragten an Musikhochschulen und Lehrkräfte an Musikschulen ein. Traditionell waren Orchestermusikerinnen und -musiker schon immer auch an Musikhochschulen und Musikschulen tätig und haben dort Schüler und Studierende auf die Herausforderungen eines Musikstudiums bzw. der künstlerischen Berufspraxis vorbereitet. Da in den vergangenen Jahren angesichts teilweise prekärer Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen für Lehrkräfte an Musikschulen und Hochschulen der Bedarf an gewerkschaftlicher Organisation und rechtlicher Betreuung gewachsen ist, organisiert die DOV inzwischen auch Mitglieder in diesen Bereichen. Hierzu wurde eine eigene Arbeitsgruppe gebildet. Auch findet eine Zusammenarbeit mit der ebenfalls in den vergangenen Jahren neu gegründeten Bundeskonferenz der Lehrbeauftragten an Musikhochschulen (BKLM) sowie punktuell mit den Gewerkschaften GEW und ver.di statt.
Um die in den einzelnen Bundesländern unterschiedlichen Honorar- und Vertragsbedingungen sukzessive zu verbessern, steht die DOV im Dialog mit Bildungspolitikern der Landesparlamente, den zuständigen Referenten der Landesverwaltungen und den Rektoren der Musikhochschulen. Ziele sind unter anderem die Schaffung von mehr festen Stellen, die Anhebung der Honorarsätze auf ein angemessenes Niveau, die regelmäßige Anpassung der Honorare an die Lohnsteigerungen des öffentlichen Dienstes und die angemessene Vertretung von Lehrbeauftragten in Hochschulgremien und Personalräten.
Da die Zahl der freischaffenden Musikerinnen und Musiker weiter ansteigt, die – obwohl für Orchesterinstrumente ausgebildet – keine feste Stelle mehr in einem Berufsorchester finden, setzt sich die DOV auch für angemessene Marktbedingungen in der freien Szene ein. Musiker, die in freien Ensembles, in Kammermusikgruppen oder auch als Aushilfen bei Berufsorchestern tätig sind, sollen für ihre Dienstleistung angesichts ihrer hohen Qualifikation angemessen vergütet werden. Daher verfolgt die DOV die Etablierung von Mindeststandards, die bei Beschäftigung in der freien Szene als Orientierung dienen sollen. Gleiches gilt für die Erfassung und Anpassung der Vergütungen für Aushilfen in Berufsorchestern.
Organisationsstruktur
Verbunden mit dem Rollenverständnis als Gewerkschaft ist auch die basisdemokratische Organisationsstruktur. Die DOV-Mitglieder in jedem Klangkörper wählen aus ihrer Mitte einen Delegierten und einen stellvertretenden Delegierten. Auch Studierende und Einzelmitglieder (vor allem freischaffende Musiker und Lehrbeauftragte) können eigene Delegierte wählen. Die Delegierten treten alle drei Jahre zur Delegiertenversammlung zusammen, die das höchste Organ des Verbandes darstellt. Die Delegiertenversammlung wählt unter anderem den Gesamtvorstand, der für bestimmte Bereiche Sonderbeauftragte ernennen kann (zum Beispiel für Hochschul- und Ausbildungsfragen oder für Kulturpolitik). Außerdem können durch den Gesamtvorstand Arbeitsgruppen gebildet werden, beispielsweise für Musikermedizin und Prophylaxe, für Personal- und Organisationsentwicklung, für Freischaffende und Lehrbeauftragte. Eine hauptamtliche Organisationsstruktur mit 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Berlin sorgt für die Umsetzung der Verbandsbeschlüsse und -ziele.
Lobbying
Zur Rolle als Berufsverband gehört auch das Lobbying gegenüber Entscheidern in Verwaltung und Politik in Bund, Ländern und Kommunen sowie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, aber verstärkt auch im europäischen und internationalen Rahmen. Eine besondere Herausforderung für die DOV als zentral in Berlin organisierter Bundesverband ist die Arbeit in Ländern und Kommunen sowie in den Rundfunkanstalten. Kultur- und Medienpolitik ist im Grundsatz Ländersache und verlangt daher den direkten Dialog auch der hauptamtlichen DOV-Vertreter mit den Zuständigen in Landes- und Kommunalpolitik sowie den Referenten der Fachverwaltungen.
Kampagnen „Orchesterland D“ und „Hochschulland D“
Begleitend zur bereits 2009 von der DOV beschlossenen Forderung, die deutsche Theater- und Orchesterlandschaft als Immaterielles Kulturerbe der UNESCO anzuerkennen, wurde 2013 die Kampagne „Orchesterland D“ ins Leben gerufen, die z. B. über Plakate, Aufkleber, einen Blog und eine Facebook-Seite das Bewusstsein für die einzigartige und erhaltenswerte Orchesterlandschaft in Deutschland öffentlich propagiert. Im Dezember 2014 wurde die deutsche Theater- und Orchesterlandschaft auf die nationale UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Im Dezember 2016 haben Bundesregierung und Bundesländer beschlossen, die deutsche Theater- und Orchesterlandschaft für die internationale UNESCO-Liste zu nominieren. Über die endgültige Aufnahme entscheidet der Zwischenstaatliche Ausschuss zum Immateriellen Kulturerbe im Winter 2019.
Unter der Überschrift „Hochschulland D“ bündelt und kommuniziert die DOV ihre Aktivitäten und Fortschritte für die Verbesserung der Honorar- und Beschäftigungsbedingungen für Lehrbeauftragte an Musikhochschulen. In einem Blog werden aktuelle Entwicklungen und Forderungen dokumentiert und begleitet.
Musikvermittlung
Orchester, Konzerthäuser und Musiktheater leiten die Legitimation für ihre öffentliche Finanzierung auch daraus ab, dass sie sich bemühen, möglichst breite Bevölkerungsschichten und viele Ziel- und Publikumsgruppen anzusprechen. Die DOV hat vielfältige Impulse gesetzt und Aktivitäten entwickelt, um Musikvermittlung und Audience Development zu befördern. 2004 wurde von der DOV gemeinsam mit weiteren Verbänden, darunter der Bundesverband Musikindustrie, die Jeunesses Musicales Deutschland, der Verband deutscher Musikschulen, und Partnern aus Österreich und der Schweiz das „netzwerk junge ohren“ (njo) gegründet. Inzwischen sind rund 300 korporative Teilnehmer (Orchester, Konzerthäuser, Musiktheater, Musikhochschulen, Musikverlage) und Einzelteilnehmer (Musikvermittler, freie Ensembles, Studierende) im njo verbunden.
Kooperationen
Die DOV unterhält verschiedene Kooperationen. Auf gewerkschaftlicher Basis arbeitet die DOV im Rahmen eines formellen Kooperationsvertrags mit ver.di zusammen. Gemeinsame Interessen bestehen auch bei der sozialen Absicherung von Künstlerinnen und Künstlern, bei Fragen des Urheber- und Leistungsschutzrechts, bei der Verbesserung der Arbeits- und Vergütungsbedingungen von Musikschullehrkräften und Honorarbedingungen von Lehrbeauftragten. Auf fachlicher Ebene kooperiert die DOV mit den beiden weiteren im Theaterbereich vertretenen Gewerkschaften, der Vereinigung deutscher Opernchöre und Bühnentänzer (VdO) und der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (GDBA).
Weitere Kooperationsverträge verbinden die DOV mit dem Bundesverband Musikunterricht (BMU) sowie dem Verband deutscher Musikschulen (VdM) und der Jeunesses Musicales Deutschland. Aus Sicht der DOV kooperieren hier vier verwandte Sparten der professionellen Orchestermusiker, der Mitglieder in Jugendorchestern, der Musikschulen und ihrer Lehrkräfte sowie der Schulmusikpädagogen miteinander. Ein besonders erfolgreiches Praxisprojekt dieser Kooperation ist seit 2004 die Orchesterpatenschaft „tutti pro“. Bis Frühjahr 2017 wurden bundesweit 54 Patenschaften von Berufsorchestern für Jugendorchester – auch aus Schulen, Musikschulen oder Universitäten – übernommen.
Ausblick
Die DOV ist gut aufgestellt, bleibt aber auch in Zukunft auf ein hohes ehrenamtliches Engagement angewiesen. Auch bedarf es beständiger Arbeit, den hohen Organisationsgrad in der Mitgliedschaft zu halten und weitere Potenziale vor allem bei Freischaffenden und Lehrbeauftragten zu generieren. Inhaltlich gilt es, die wichtigen Themen der nachhaltigen öffentlichen Kulturfinanzierung durch Bund, Länder und Kommunen, eine stabile Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und seiner Klangkörper, gesellschaftlich ein im Grundsatz investitionsfreundliches Klima für die Renovierung und den Neubau von Kulturimmobilien zu schaffen und für bessere Bedingungen an Musikschulen und Musikhochschulen zu sorgen.
Weitere Informationen unter www.dov.org