Freixas, Narcisa
Elementary Piano Pieces
hg. mit einem Vorwort und Hinweisen für den Unterricht von Melanie Spanswick
Es ist erfreulich, dass in letzter Zeit immer mehr Komponistinnen wiederentdeckt werden bzw. ihre Werke ans Licht kommen, die bisher nur einem kleinen Kreis bekannt waren. So auch die leichten Klavierstücke der katalanischen Komponistin Narcisa Freixas (1859–1926) von 1918, die jetzt von der englischen Musikpädagogin und Pianistin Melanie Spanswick bei Schott neu herausgegeben wurden.
Narcisa Freixas entstammte einer gebildeten Familie, die Wert auf eine umfassende, vor allem künstlerische Ausbildung legte. So hatte sie von klein auf die Möglichkeit, sich vielseitig zu entwickeln. Sie studierte Malerei, Bildhauerei und Klavier, arbeitete als Malerin, Bildhauerin, später auch als Musikerin, Komponistin und Musikpädagogin sowie als Autorin von Theaterstücken. Zwischendurch heiratete sie und wurde Mutter von drei Kindern.
Narcisa Freixas war eine der ersten katalanischen Feministinnen und setzte sich für die Rechte von Frauen ein, vor allem für das Recht auf Bildung und Zugang zu bezahlter Arbeit. Nach dem frühen Tod ihrer beiden Töchter und ihres Ehemanns gründete sie die „Cultura Musical Popular“, eine Organisation, die ehrenamtlich Musikunterricht für Schulen, Krankenhäuser und auch Gefängnisse anbot. Die Regierung ehrte sie später dafür.
Die vorliegende Sammlung von Kinderstücken sind ihre bekannteste Veröffentlichung: 14 kurze, abwechslungsreiche Miniaturen mit überwiegend volksliedhaften Melodien und fantasieanregenden Titeln in verschiedenen Tonarten. Kein Stück ist länger als eine Seite. Teil 1 enthält acht leichte Stücke im Schwierigkeitsgrad der Unterstufe 1, beide Hände mit geringem Tonumfang. Teil 2 enthält sechs Stücke, in denen Puppen eine Rolle spielen (die schlafende Puppe, die tanzende Puppe etc.). Diese Stücke sind technisch etwas anspruchsvoller und insgesamt weitgriffiger (bis zur Dezime). Sie entsprechen in etwa der Unterstufe 2.
Die verdienstvolle Neuausgabe ist mit Fingersätzen, Tempoangaben und weiteren Spielanweisungen durch die Herausgeberin versehen. Im Anhang finden sich zudem für jedes Stück ausführliche Übehilfen für den Unterricht. Wenn sie auch für erfahrene Lehrkräfte nicht unbedingt nötig sind, so lohnt doch ein Blick hinein. Für weniger Erfahrene oder autodidaktisch Lernende sind sie auf jeden Fall sehr hilfreich. Schade nur, dass die ansprechenden und inspirierenden, etwas altmodischen Illustrationen des Malers und Zeichners Pedro Tornè (nicht: Tomé) Esquius der Erstausgabe von 1918 nicht mit abgedruckt wurden.
Alle Stücke sind hübsch und klingen gut. Vor allem aber sind sie von historischer Bedeutung. Sie bilden ein weiteres Puzzleteil in der Geschichte von künstlerisch tätigen Frauen, die trotz ihrer familiären Belastung nicht aufgegeben haben, ihre Fähigkeiten weiterzuentwickeln und künstlerisch und auch pädagogisch aktiv zu bleiben. Sie sind auch deshalb eine wertvolle Ergänzung des Unterrichtsrepertoires.
Frauke Uerlichs