Entdeckungsreise durch die tschechische Klaviermusik

Stücke für etwas fortgeschrittene Spieler, ausgewählt und revidiert von Ivo Kahánek

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bärenreiter, Prag 2021
erschienen in: üben & musizieren 3/2022 , Seite 60

Als Interpret tschechischer Klavier- und Kammermusik hat sich der Pianist Ivo Kahánek durch zahlreiche Konzerte und CD-Aufnahmen einen Namen gemacht. Nun legt er einen Auswahlband mit 21 leichten bis mittelschweren Klavierstücken tschechi­scher Komponisten vor, der die lebendige und vielseitige Musiktradition des Landes eindrucksvoll dokumentiert.
Die chronologisch angeordnete Auswahl reicht von der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Neben international bekannten Komponisten wie Jir˘í Benda, Antonín Dvor˘ák und Leos˘ Janác˘ek ist es ein besonderes Anliegen des Herausgebers, auf weniger bekannte Namen aufmerksam zu machen. Alle ausgewählten Stücke sind musikalisch unmittelbar ansprechend und zugleich von hoher kompositorischer Qualität. Der Schwierigkeitsgrad reicht vom ganz leichten, bordunbegleiteten Glocken zur Nacht aus Die Welt der Kleinen von Petr Eben bis zum Koboldstanz aus Poetische Stimmungsbilder von Dvo­r˘ák. So kann der Band KlavierspielerInnen einige Jahre lang auf ihrem musikalischen Ausbildungsweg begleiten.
Die Sammlung beginnt mit der zu Recht beliebten Sonatine in a-Moll von Jir˘í Benda und wendet sich nach jeweils einem Beispiel von Jan Ladislav Dussek und Jan Hugo Vor˘ís˘ek der romantischen Epoche zu. Von Bedr˘ich Smetana wurden zwei Stücke aus den Stammbuchblättern sowie die Polka g-Moll aus 3 Polkas Poétiques op. 8 aufgenommen. Es folgen die bekannte Humoreske Ges-Dur und der Koboldstanz von Dvor˘ák sowie eine träumerische Erinnerung in D-Dur aus der umfangreichen Sammlung Stimmungen, Eindrü­cke und Erinnerungen op. 41 von Zdene˘k Fibich. Zwei Idyllen von Josef Suk (dem Großvater des gleichnamigen Violinvirtuosen) dürften zu den weniger bekannten Stücken zählen und sind allemal eine Entdeckung wert. Dies gilt in noch stärkerem Maße für die originelle Teufelspolka aus dem Zyklus Jugend op. 55 von Víte˘zslav Novák. Drei Stücke aus Auf überwachsenem Pfade bieten einen guten Einstieg in Leos˘ Janác˘eks eigenständige und ausdrucksstarke Musiksprache.
Die musikalische Moderne nimmt mit sechs Komponisten einen erfreulich breiten Raum ein. Allgemein bekannt sind die Marionetten von Bohuslav Martinu˚, hier repräsentiert durch Colombine tanzt und Harlekin, und die schon erwähnte Welt der Kleinen von Petr Eben. Dazu kommen vier Stücke, die als echte Bereicherungen des Repertoires gelten können: von Jirí Vr˘es˘tál wurde die quicklebendige Sextenstudie aus Drei Etüden ausgewählt, von Miloslav Kabelac˘ das Preludio ostinato aus Acht Präludien op. 30, ein leises, meditatives Stück im 5/8-Takt. Milan Dlouhy´ ist mit der gut gelaunten Bagatelle Nr. 2 vertreten und Lubos˘ Sluka mit der klangschönen, präzise komponierten Miniatur Schwäne.
Sigrid Naumann