Bailer, Noraldine / Katharina Pecher-Havers (Hg.)

Entfaltungsräume

Förderung musikalischer Potenziale im Unterricht

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Waxmann, Münster 2021
erschienen in: üben & musizieren 1/2022 , Seite 59

Möglicherweise ist es der Ambiguität des Begriffs geschuldet, dass nicht nur Begabung an sich, sondern auch die Frage nach der angemessenen Förderung derselben ein Desiderat der Forschung ist. Die Musikpäda­gogische Forschung Österreich (MFÖ) widmete sich auf einer Tagung im Januar 2020 in Salzburg diesem Themenfeld und stellte zur Diskus­sion, wie künstlerische, wissenschaftliche und musikalische Potenziale im Unterricht – dieser Begriff umfasst sowohl institutionellen als auch außerinstitutionellen Musik-, Instrumental- und Gesangsunterricht – entdeckt und gefördert werden können.
Die Publikation versammelt Beiträge aus sehr unterschiedlichen Perspektiven. Die ersten Beiträge setzen sich mit institutionellen Begabungsförderungsprogrammen für junge Musizierende in Österreich auseinander und liefern in erster Linie Daten, Fakten und Statistiken. Die Entwicklung intentioneller Fördermaßnahmen ab dem 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart wird nachgezeichnet und die Pluralität an Förderprogrammen in den einzelnen Bundesländern Österreichs in Form einer Synopse präsentiert. Ein anderer Beitrag gibt Einblick in ein Forschungsprojekt, in dem die musikalische Sozialisation von Studierenden in China und der Schweiz im Zentrum des Interesses stehen. Auch wenn die empirische Untersuchung auf relativ dünner Datengrundlage basiert, liefert sie doch transparente Ergebnisse bezüglich elterlicher Einflüsse in musikbezogenen Biografien.
Im Beitrag zur Förderung kreativitätsrelevanter Potenziale wecken besonderes Interesse die Identifizierung kreativitätsrelevanter Potenziale, die Kreativitätsförderung im Kontext von Schule sowie die Beförderung von Team-Kreativität. Apropos Schule: Äußerst pointiert und kritisch richtet sich nachfolgend der Fokus auf drei Musiklehr­bücher, die der Konzeption des Aufbauenden Musikunterrichts folgen. Sehr detailliert wird dargelegt, dass die analysierten Lehr- und Lernbände kaum Hilfestellung für individuelle Beschäftigung geben und eigenständig lösbare Aufgabenstellungen für Lernende ungleicher Leistungsniveaus die Ausnahme bilden. Konkreten Erkenntnisgewinn liefert auch der lohnenswerte Beitrag zur Feedback-Kultur von Lehrpersonen.
Es handelt sich um einen klassischen Sammelband, der – mit inhaltlich breit angelegter Kohärenz – unterschiedlichste Ergebnisse dokumentiert. Gerade jungen wissenschaftlichen MitarbeiterInnen wird ermöglicht, in einem solchen Rahmen aktuel­le Forschungsergebnisse vorzustellen. Die zahlreichen Literatur­angaben zeigen, wie sehr die ­Vortragenden ihr Spezialgebiet durchdrungen haben. Dabei sind die Beitrage inhaltlich, sprachlich und auch in grafischer Aufbereitung von unterschiedlicher Qualität. Für Personen in musikalischen Lehrberufen liefert der Band sehr spezielle Einblicke in die Förderung musikalischer Potenziale im Unterricht.
Karl-Friedrich Mielke