Erbe und Auftrag 2.0

175 Jahre Rheinische Musikschule Köln, hg. vom Verein der Freunde und Förderer der Rheinischen Musikschule Köln

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Dohr, Köln 2020
erschienen in: üben & musizieren 1/2021 , Seite 59

175 Jahre Rheinische Musikschule Köln: Grund genug für den Verein der Freunde und Förderer der Musikschule, eine umfangreiche Festschrift vorzulegen. Sie versammelt Beiträge zu historischen Themen und ak­tuel­len pädagogischen Fra­gen – ein buntes Kaleidoskop dessen, was an der Kölner Musikschule passiert, von Inklusion bis Seniorenarbeit, von Musiktheorie bis Tanz.
Schulleiter Tilman Fischer startet mit einem Blick auf die bewegte Historie der Rheinischen Musikschule. Bei Gründung der Kölner Bildungseinrichtung im frühen 19. Jahrhundert war das Interesse vorrangig darauf gerichtet, die bürgerliche Hausmusik mit qualifiziertem Nachwuchs auszustatten. Später änderten sich Zielsetzung und Namen, das neue Konservatorium verfolgte nun das Ziel, einen professionellen Musikernachwuchs heranzubilden. In den 1920er Jahren bildeten sich zwei unterschiedliche Institutionen heraus: die Städtische Musikschule und die Staatliche Musikhochschule. Zu einer Einrichtung für begabte Jugendliche wurde sie in den 60er Jahren, aus der dann im weiteren Verlauf die Musikschule wurde, wie wir sie heute kennen. Heute ist die Rheinische Musikschule mit annähernd 10000 SchülerInnen eine der großen Stätten musikalischer Bildung in Deutschland.
Aus den 40 Beiträgen seien hier einige herausgegriffen, die echte Kölner Besonderheiten beschreiben. Hierzu zählt die gute Zusammenarbeit mit dem städtischen Gürzenich-Orchester. Bezeichnend ist, dass bis vor 100 Jahren der Orchesterchef stets zugleich Direktor der Rheinischen Musikschule gewesen ist, der prominenteste unter ihnen vermutlich der Brahms-Freund Ferdinand Hiller. Auch der jetzige Schulleiter Tilman Fischer war zuvor Cellist im Gürzenich-Orchester. Fischers Credo: „In einem Schmelztiegel wie Köln und seinem Einzugsgebiet sollte jeder Mensch mindestens einmal im Leben Kontakte zum Gürzenich-Orchester, zur Philharmonie, zur musikalischen Bildung im weitesten Sinne haben.“
Für Nicht-Rheinländer sicher außergewöhnlich ist das „JuMiKK“, das Jugendmusikkorps im Kölner Karneval, das Kölner Jugendlichen echt kölsche Musik ans Herz legt und den Nachwuchs auf die Karnevalsbühnen der Stadt bringt. Und um der zumeist stiefmütterlichen Behandlung des Improvisierens zu begegnen, steht an der Rheinischen Musikschule seit zwei Jahren das „KIO“, das Kölner Improvisations-Orchester, in Kooperation mit der Musikhochschule auf der Angebotspalette – angeleitet abwechselnd von Jugend­lichen aus ihrem Kreis: Ein Orchester dirigiert sich selbst. Nicht zu vergessen das Seminar für Unterhaltungsmusik: Bereits seit Anfang der 70er Jahre gibt es auch eine Jazz-Ausbildung.
Erbe und Auftrag 2.0 ist ein schönes Buch, das über Vergangenheit und Gegenwart berichtet und in die Zukunft blickt. Die Kölner Lehrkräfte, SchülerInnen und Eltern kann es stolz machen, für alle anderen ist es fast schon ein musikpädagogisches Nachschlagewerk.
Uwe Sandvoß