Breitsprecher, Annette

Erhöhter Kommunikationsbedarf

Von „schwierigen“ SchülerInnen und Eltern im Instrumentalunterricht von heute

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 3/2014 , Seite 12

“Problemlagen im Beziehungsfeld Schüler-Lehrer-Eltern” lautete das Thema eines Fachaustauschs der Berliner Klavierlehrkräfte an der Landesmusikakademie Berlin. Dort fiel der Satz: “Kinder werden anders, Eltern werden anders.” Ganz ähnliche Aussagen klangen an in meinen Gesprächen im Kollegenkreis; dabei schwang mit dem “anders” meist ein “schwieriger” mit. Aber was heißt das konkret?

Wann empfinden wir SchülerInnen oder deren Eltern als „schwierig“? Und wenn etwas „anders“ oder „schwieriger“ wird, was bedeutet das? Was können wir tun, damit es (wieder) „leichter“ wird? Beim Versuch, genauer hinzuschauen, zeigt sich schnell, dass die Einschätzungen von Kollege zu Kollegin keineswegs gleich ausfallen. Dies verwundert nicht angesichts sehr unterschiedlicher Lehrerpersönlichkeiten, verschiedener soziokultureller Umfelder von SchülerInnen und nicht zuletzt ungleicher infrastruktureller Rahmenbedingungen des Unterrichts. Aber es gibt wiederkehrende Themen, von denen ich ­einige auffächern möchte – ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder gar Allgemeingültigkeit. So sind im länd­lichen Raum sicher ganz andere Dinge „schwierig“ als in unserer musikschulpolitisch besonders heruntergekommenen Hauptstadt.

Unklare ­Motivationslagen

„Womit möchtest du anfangen?“ – „Ist mir egal!“

Manchmal kommt man an SchülerInnen nicht heran, weil sie zum Beispiel von sich aus wenig sprechen, auf Fragen nur knapp antworten, nichts von sich selbst zeigen und allgemein beim Lehrer das Gefühl auslösen, dass er keine Resonanz bekommt auf sein Tun. Diese SchülerInnen werden dann als „schwierig“ erlebt, weil man kein Gespür dafür entwickeln kann, warum sie in den Unterricht kommen. Eventuell gelingt es der Lehrkraft, bei entsprechender beharrlicher Kontaktsuche und im behutsamen Gespräch problematische Motivationen freizulegen („Meine Mama wäre traurig, wenn ich aufhören würde“). Das Vertrauen ermöglicht einen anderen Umgang und vielleicht nimmt der Unterricht dadurch eine positive Wendung; andernfalls kann man das Gespräch mit den Eltern suchen und das Unterrichtsverhältnis hoffentlich einvernehmlich beenden.
In einem anderen Fall stellt sich vielleicht die Frage, ob es wirklich um Motivation geht oder ob das Problem möglicherweise größer ist, weil die Schülerin depressiv ist und professionelle Hilfe braucht. Oder es wird im Lauf der Zeit klar, dass ein Schüler sich eigentlich gar nicht für das Instrument interessiert, aber den Lehrer aus anderen Gründen als Bezugsperson schätzt – dann kann der Lehrer überlegen, wie er damit am besten umgeht.
Ein belastendes Dilemma ensteht, wenn LehrerInnen aus pädagogischen oder mensch­lichen Gründen eine Beendigung des Unterrichtsverhältnisses für geboten halten, dies aber wegen der eigenen existenziellen Lage zum Problem würde und daher unterbleibt. Der Unterricht kann dann für beide Seiten zur Quälerei werden.
Es gibt aber auch scheinbar unmotivierte Unterrichts­beziehungen, die sich ganz plötzlich und unverhofft wandeln: Aus heiterem Himmel kommt etwas in Gang, vielleicht ist es auch irgendeine Saat, die aufgeht; es beginnt ein Wachsen und Gedeihen, es entsteht Beziehung. Das können dann für SchülerInnen und LehrerInnen wunderbare Momente sein.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 3/2014.