von Ruthendorf, Johann

Erlebnis Streichorchester für alle

Individuelle Arrangements für ein voraussetzungsoffenes Jugendstreichensemble am Heinrich-Schütz-Konservatorium Dresden

Rubrik: Bericht
erschienen in: üben & musizieren 3/2025 , Online-Beitrag 12

Das Jugendstreichensemble des Heinrich-Schütz-Konservatoriums Dresden ist ein kleineres Streichorchester als Alternative zu den großen Sinfonieorchestern in der Orchesterlandschaft unserer Musikschule. Im Gegensatz zu diesen gibt es keine Probespiele für die Aufnahme. Stattdessen können alle SchülerInnen Teil des Orchesters werden und soziale wie musikalische Aspekte des gemeinsamen Musizierens im Orchester erleben – auch diejenigen, die einer Vielzahl von Freizeitbeschäftigungen nachgehen und deren oberste Priorität nicht auf dem Musizieren liegt.
Diese breite Zielgruppe bringt eine für Streichorchester große Heterogenität mit sich. Zum einen gilt das für die Altersspanne. Die Jüngsten im Ensemble sind 12 Jahre. Die meisten bleiben jedoch so lange im Orchester, bis sie die Schule beenden und dann zum Teil auch die Musikschule verlassen. Zum anderen gibt es zwischen den über 30 Jugendlichen ein großes Gefälle hinsichtlich des spieltechnischen Niveaus, sowohl bedingt durch den hohen Altersunterschied und die sich daraus ergebenden abweichenden Zahlen der Unterrichtsjahre als auch durch unterschiedlich ausgeprägte Übemotivation.
Orchesterpädagogisch ergibt sich dadurch eine zentrale Herausforderung. Für die vorhandene Besetzung und Spielfähigkeit des Ensembles gibt es kaum passende Literatur. Originale klassische Werke sind oft zu anspruchsvoll und auch eigens für Jugendorchester komponierte oder arrangierte Werke bilden nicht die individuellen Bedürfnisse ab. Denn einerseits wollen die Jugendlichen gefordert werden, also dürfen die Stimmen für die Fortgeschritteneren keineswegs zu einfach sein, andererseits müssen die Stimmen für die weniger Fortgeschrittenen so gestaltet werden, dass sie gut bewältigt werden können. Dabei besteht die grundsätzliche Gefahr, dass vereinfachte Stimmen unterfordern bzw. zu schwere Stimmen überfordern und dadurch die Motivation der MusikerInnen sinkt.
Als Orchesterleiter gehe ich mit dieser Herausforderung um, indem ich ausnahmslos jedes Stück, das das Orchester spielt, eigens für die zu diesem Zeitpunkt bestehende Besetzung arrangiere. Genrebezogen gibt es dabei keine Grenzen. In den Konzerten erklingen in jeweils maßgeschneiderten Bearbeitungen sinfonische Werke wie der „Danse Macabre“ von Camille Saint- Saëns oder die erste „Peer-Gynt-Suite“ von Edvard Grieg neben folkloristischen, populären oder auch filmmusikalischen Klängen. Dabei orientiere ich mich aus Gründen der Werktreue so nah wie möglich am ursprünglichen Werk. Bei Werken ohne konkrete Vorlage, wie im Falle von Volksliedern, erlaube ich mir einen freien Umgang mit dem vorhandenen Material, um z. B. Melodien durch alle Register wandern lassen zu können oder in variierenden Begleitungen und Harmonisierungen für Abwechslung im Spielgefühl zu sorgen.
Die Anfertigung spezifischer Arrangements hat ermöglicht, dass das Orchester bereits mehrere Kooperationen mit renommierten Partnern eingehen und so durch besondere musikalische Erfahrungen den Horizont der Jugendlichen erweitern konnte. Beispielsweise gab es ein Projekt gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen des sozialen Musikprojekts „Musaik“ und dem Cellisten Jan Vogler oder ein Projekt mit Musik aus der Ukraine und Yaroslav Molochnyk, einem Pianisten aus Lwiw. Für den kommenden Sommer steht eine Kooperation mit dem Jazztrio von Sebastian Wappler an.
Die abwechslungsreichen Programme legen den Fokus dabei nicht vordergründig auf die musikalische Perfektion und das Konzert als Endergebnis, sondern haben eine große musikvermittelnde Perspektive. Durch eine ausgeprägte Feedbackkultur während der Proben, vor und nach Konzerten sowie im Probenlager werden Möglichkeiten zur Partizipation geschaffen.
Die Resonanz unter den Jugendlichen ist sehr positiv. So ist das Orchester in den vergangenen Jahren personell gewachsen und hat trotz seiner Stellung als kleines Streichorchester seinen Platz in der Dresdner Jugendorchesterlandschaft etabliert und einen Raum geschaffen, der Jugendlichen ermöglicht, ohne Leistungsdruck miteinander zu musizieren.

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