Tschemer, Marlies
Erwachsene in Musikschulen
Motive – Ziele – Erwartungen
Wenn eine Soziologin ein Buch über Erwachsene an Musikschulen schreibt, darf man gespannt sein: Marlies Tschemer, bis 2009 Assistentin am Institut für Soziologie der Johannes Kepler Universität Linz, hat sich dem Thema aus persönlicher Erfahrung – spontaner Beginn des Cellounterrichts nach Besuch einer Musikschulveranstaltung – zugewendet. In einer repräsentativen Befragung erwachsener Musiklernender an Musikschulen in Oberösterreich untersuchte sie gesellschaftliche Hintergründe bzw. soziales Umfeld der musizierenden Laien. Auch Motive, Ziele und Erwartungen dieser Klientel wurden einer Untersuchung unterzogen.
Die vorliegende Veröffentlichung ist zweigeteilt, wobei zunächst theoretische Basisinformationen geliefert werden. Ein kurzer Einblick in drei Konzepte zur Sozialstruktur der Gegenwartsgesellschaft bildet den Auftakt; es folgen Informationen zu lebenslangem Lernen, dem gegenwärtigen Stellenwert von Musikschulen sowie deren Positionierung gegenüber erwachsenen Instrumentalspielern. Ergänzend äußert sich die Autorin zu Funktionen und Wirkungen von Musik. Die zweite Hälfte des Buchs stellt dann Vorgehensweise und Ergebnisse des Forschungsprojekts vor, dies mit umfangreichen Tabellen und Grafiken.
Auch wenn einzelne Ergebnisse der Befragung sehr interessant sind (Gründe für den Besuch einer Musikschule bzw. damit gegen den Privatunterricht; eine im Widerspruch zu anderen Studien stehende hohe Leistungsbezogenheit der Befragten; sämtliche geschlechtsspezifischen Aussagen), enttäuscht die vorliegende Veröffentlichung als Ganzes. Auf den ersten Blick systematisch angelegt, in einem Universitätsverlag herausgegeben – dennoch bleibt man bei der Lektüre oft ratlos. Muss ich als Leserin den Neurowissenschaftler Antonio Damasio so gut kennen, dass ich den nachfolgenden Satz verstehe: „Damasio (1999, 88 f) gibt ein Beispiel für den Ablauf des Prozesses vom Reiz zum Gefühl anhand eines Besuchs von Tante Maggie, ich will versuchen analog den Bereich der Musik heranzuziehen.“ Oder: „Mit diesen schönen Worten berühmter Komponisten, die an Stelle einer Zusammenfassung der theoretischen Überlegungen zum Musikschulbesuch Erwachsener stehen, wollen wir uns der empirischen Studie zuwenden…“ Bedauerlich auch, dass sich einer der beiden berühmten Komponisten nicht „Schuhmann“ schreibt. Das darf nicht passieren! Dass Gerd Eicker unter Umständen durch Internetbelege zu „Eiker“ wird, könnte man vielleicht noch nachsehen, jedoch nicht die Auslegung der Abkürzung „VdM“ als „Verein deutscher Musikschulen“. Das Buch strotzt vor Fehlern. Wenn man Layoutprobleme oder Uneinheitlichkeiten sowie Rechtschreibfehler mitzählt, ist die Anzahl völlig indiskutabel. Da gehen ansonsten gute Gedankengänge – z. B. dass der musizierende Erwachsene nicht allein auf den älteren musikliebenden Erwachsenen reduziert werden darf – leider unter!
Reinhild Spiekermann