Riedel, Gesa
„Es ist wichtig, die Menschen zu zeigen“
Wie kann kulturelle Stiftungsarbeit gelingen? Gespräch mit Sandra Wiering
Viele künstlerische Projekte sind ohne das Engagement von Stiftungen kaum noch möglich. Das privat initiierte Ensemble Coole ElbStreicher aus Hamburg, ein Zweckbetrieb des Mensch Musik e. V., ermöglicht Kindern und Jugendlichen zwischen fünf und 20 Jahren eine innovative Orchesterarbeit. Zwei Stiftungen unter dem Dach der Haspa Hamburg Stiftung konnten 2021 das alteingesessene Kinder- und Jugendorchester vor dem finanziellen Aus bewahren. Wie war und ist das möglich? Gesa Riedel sprach mit Sandra Wiering von der PaulaStiftung darüber, wie moderne Stiftungsarbeit in Zeiten von Niedrig- und Negativzinsen dennoch funktionieren kann.
Liebe Frau Wiering, können Sie beschreiben, warum sich in den vergangenen Jahren die Lage und damit die Arbeit der Stiftungen erschwert hat?
Das ist ganz einfach. Die Erträge von Stiftungen sind durch das Niedrigzinsniveau auf ein Minimum reduziert. Normalerweise konnten die Stifter Geld anlegen und haben Zinsen bekommen, z. B. durch konservative Anlagen wie Bundesanleihen. Dafür gab es noch vor wenigen Jahren 3% Zinsen. Heutzutage zahlt man dafür, Geld bei einer Bank zu deponieren. Es gibt sogenannte Verwahrentgelder. Für die genannten Bundesanleihen müssen jetzt sogar 0,5% Zinsen gezahlt werden. Das heißt, eine Stiftung macht mit ihrem Vermögen ein Minus – und das darf sie nicht, denn sie darf nicht den sogenannten Stiftungsstock schmälern. Wenn Stiftungen mit ihren Geldanlagen keine Erträge erzielen, können die Stiftungsziele nicht erreicht werden, weil keine Ausschüttungen mehr möglich sind.
Ist absehbar, dass sich diese Situation ändern wird?
Nein, ist es nicht. Viele Industrieländer sind hoch verschuldet und könnten diese Schulden nie zurückzahlen, wenn das Zinsniveau wieder steigen würde. Es müssen neue Wege gegangen werden. Die Gesetze haben sich in diesem Zusammenhang für Stiftungen gelockert. Sie können heute z. B. auch in Wohnprojekte oder Aktien investieren. Auf diese Weise können noch Erträge erzielt werden, um den Stiftungszweck zu erfüllen.
Sie leiten federführend die Stiftungsarbeit der PaulaStiftung und sind im August 2021 mit der Webseite www.wir-sind-paula.de an den Start gegangen. Worin unterscheidet sich die Stiftungsarbeit der PaulaStiftung von anderen Stiftungen?
Wir stehen in engem Kontakt mit unseren Projekten, begleiten sie sehr nah und intensiv, sind oft vor Ort und machen sie für andere Menschen und weitere Stiftungen transparent. Das geschieht über Filmaufnahmen, Interviews, Fotos und Berichte, die über die sozialen Medien und unsere Internetseite verfolgt werden können. So werden zwischen Menschen, die oftmals sehr wenig voneinander wissen und erfahren können, Brücken gebaut und Themen in den öffentlichen Dialog gebracht. Hier rufen wir natürlich auch zu Spenden auf. Das machen zwar die meisten Stiftungen, aber sie erreichen zu wenige.
Seit im August 2021 die Website der PaulaStiftung online gegangen ist, haben wir mit unserem neuen Stiftungskonzept eine beträchtliche Summe an Spenden über die Internetseite für verschiedene Projekte generieren können. Außerdem sprechen wir auch ganz gezielt passende Partner unseres Netzwerks auf bestimmte Projekte an, die konkret Fördergelder benötigen. Ein Projekt, zum Beispiel ein musikalisches, bekommt bei uns die Möglichkeit, sich darzustellen. Mit dieser Darstellung gehen wir in die Öffentlichkeit und sprechen dann auch mögliche Investoren aus unserem Netzwerk und anderen Stiftungen an und spenden zusätzlich selbst.
Wir möchten Beziehungen schaffen, weil Beziehungen maßgeblich dafür verantwortlich sind, dass Menschen Verantwortung übernehmen – und zwar nachhaltig. Wir wollen Brücken bauen zwischen denen, die spenden, und den Spendenempfängerinnen und -empfängern, sodass sie sich auf Augenhöhe begegnen können. Dazu ist die Geschichte, die Sie, Frau Riedel, hautnah erleben durften – von der anonymen Spenderin, die Ihr jüngstes Projekt zum digitalen Proben des Ensembles Coole ElbStreicher in Pandemiezeiten unterstützt hat –, ein ganz tolles Beispiel. Die Spenderin hat für Sie Mikrofone, Interfaces und Kopfhörer angeschafft, die nötig waren, um im virtuellen Raum proben zu können.
Im engen Kontakt mit den Projekten
Wie sieht nachhaltige Stiftungsarbeit aus und was ist daran zukunftsweisend?
Wie bereits erwähnt sprechen wir gezielt Menschen aus unserem großen und ständig wachsenden Netzwerk an. Menschen, bei denen wir uns vorstellen könnten, dass sie dieses Projekt interessiert. So sind die Projektinitiatoren nicht die Bittsteller. Wir gehen in den Dialog, sowohl mit den Projekten als auch mit möglichen Spenderinnen und Spendern. Wir pflegen einen engen Kontakt zu unseren Projekten und dokumentieren das. Wir berichten immer wieder über aktuelle Entwicklungen der Projekte: Was ist aus den Spendengeldern geworden, wie geht es dem Projekt und was steht Neues an?
Lesen Sie weiter in Ausgabe 3/2022.