Ernst, Siegrid

Facetten

Fünf Miniaturen für zwei Flöten

Rubrik:
Verlag/Label: Zimmermann, Mainz 2017
erschienen in: üben & musizieren 4/2018 , Seite 59

Die Verbindung von Komposition und Musikpädagogik ist für die 1929 geborene Komponistin, Pianistin und Musikpädagogin Siegrid Ernst offenbar ein Herzensanliegen. Sie studierte Musikpädagogik, Klavier und Komposition in Heidelberg, Frankfurt und Wien und erhielt wichtige Anstöße von Stockhausen, Ligeti und Xenakis. Als Pianistin beschäftigte sie sich viel mit zeitgenössischer Musik, etwa im Klavierduo mit ihrem Mann Konrad Meister. Sie lehrte an mehreren Musikhochschulen u. a. Klavier, Musiktheorie, Analyse zeitgenössischer Musik und Improvisation, unterrichtete in der studienvorbereitenden Ausbildung an Musikschulen und wirkte als Jurorin bei „Jugend musiziert“ und „Jugend komponiert“. Prägend war sie auch durch ihre Gremienarbeit, etwa als Mitbegründerin des International Congress on Women in Music sowie als Mitbegründerin und Vorsitzende des Arbeitskreises Frau und Musik. Ihr umfangreiches kompositorisches Werk ist wissenschaftlich noch kaum aufgearbeitet.
Facetten für zwei Quer- oder Blockflöten entstand im Auftrag des Vereins Freunde der Querflöte e. V. für die Jahresgabe 2017. Anspruchsvolle zeitgenössische Musik zu komponieren, die auch von fortgeschrittenen Laien gern angenommen wird und deren Schwierigkeitsgrad die Spielfreude nicht beeinträchtigt, war für die Komponistin eine besondere Herausforderung.
Die mittelschweren Miniaturen dauern insgesamt ca. zwölf Minuten. Einzelne Stücke auszuwählen und zu kombinieren, ist den Spielenden ausdrücklich erlaubt. Charakteristisch für alle Stücke ist freie Tonalität. Neue Spieltechniken werden bis auf Glissando nicht verwendet. Auch wenn die zweite meist unter der ersten Stimme liegt, sind beide Stimmen gleichberechtigt. Das fis”’ wird auch in der ersten Flöte nicht überschritten.
Auf die erste Miniatur „Fragen“ folgt nach einem „Intermezzo“ ein „Vogelkonzert im Frühling“ auf der Grundlage eines Improvisationskonzepts. Dieses beinhaltet zwölf zu sprechende und 19 zu spielende Vogelmotive, die beliebig ausgewählt, mehrfach wiederholt und kombiniert werden sollen. Dabei orientieren sich die Tonfolgen an originalen Vogelstimmen. Gleichwohl sollen sich die Spielenden auch zu eigenen Improvisationen anregen lassen. Wenn beide das gleiche Motiv interpretieren, ist das Ende erreicht.
Irisierende Facetten des Lichts zeigt die sehr rasche, rhythmisch betonte Miniatur „Tanzende Lichter“ in unregelmäßiger Takt­art. Das letzte Stück „Klänge atmen“ kommt ohne Metrum aus und verwendet eine Variante von Space Notation: Durch Ziffern wird angezeigt, wie lange die Zählzeiten auszuhalten sind.
Facetten sind farbige, abwechslungsreiche kleine Stücke, die sich sehr gut für fortgeschrittene SchülerInnen eignen und sicherlich die Spielfreude fördern können. Dass der kreative Spielraum beim „Vogelkonzert“ besonders groß ist, könnte sich positiv auf die Gestaltung bzw. den musikalischen Ausdruck der anderen Miniaturen auswirken.
Andrea Welte