Briest, Klaus
Fit für die Band
auf Piano und Keyboard
Bei der ständig anwachsenden Zahl an Lehrbüchern für das Instrumentalspiel von Pop, Rock und Jazz lassen sich drei Wege unterscheiden: das Spiel von Originalstücken, Bereitstellung von Stilkopien und reine Übungen. Klaus Briest hat sich für die dritte Variante entschieden: Zwar nennt er seine Übungen Stücke, aber im eigentlichen Sinn sind dies keine, denn sie haben kaum eine klare Form, selten eine einprägsame Melodik, thematisieren jeweils ein rhythmisches Modell verbunden mit bestimmten Grifftechniken für die rechten Hand.
Briest legt 58 Stücke vor, für jede Dur-Tonart vier, angeordnet nach ihrer Reihenfolge im Quintenzirkel. Die Übungen sind im Schwierigkeitsgrad nicht progressiv ansteigend, die einfacheren sind diejenigen in Tonarten mit wenig Vorzeichen. Eine Besonderheit besteht darin, dass sich dieses Werk einerseits an Klavier-, andererseits an Keyboardspieler wendet. Das bedeutet, dass fast alle Übungen in zwei Fassungen vorliegen. Bei den Keyboard-Versionen werden für die linke Hand Akkordgriffe notiert, die dann mit dem Begleitprogramm des Keyboards kombiniert werden müssen. Eineinhalb bis zwei Jahre Klavierunterricht werden vorausgesetzt.
Briest ist Praktiker, sein Bestreben ist es, ein bandspezifisches, das heißt relativ sparsames Spiel auf Tasten zu entwickeln. Die linke Hand hat meist nur einzelne Basstöne, kaum einmal Akkorde oder Doppelgriffe, zuweilen rhythmisierte Linien zu greifen. Die rechte Hand wird im Skalen- und Akkordspiel geübt, viele Linien wirken wie ausnotierte Improvisationen. Allein gespielt wirken die Klavierversionen auf der CD etwas spröde, zumal die Spielweise recht weich ist. Weitere Bandinstrumente wie E-Bass oder Schlagzeug fehlen, die die Einbettung des Tastenanteils in den klanglichen Zusammenhang ohrenfällig gemacht hätten. Eine mangelnde Differenzierung in der Anschlagsdynamik fällt zum Teil unangenehm auf.
Hinweise auf den Bezug rhythmischer Modelle zu Stilistiken oder Grooves liefert der Autor zuweilen, jedoch zu wenig. Die Diktion ist eine mündliche, der Leser wird im Plural geduzt, vermutlich der Erprobung des Materials mit Jugendlichen geschuldet. Aber möchte man Sätze wie „Und was kommt jetzt noch? Die Zugabe natürlich – oder ,Einer geht noch‘“ wirklich lesen?
Briest kann sich nicht entscheiden, was er will. Er versteht sein Buch als Ergänzungsmaterial, aber verschweigt, welche Grundlagenwerke nötig sind. Er notiert vor jedem Stück Skalen zur Improvisation, aber zeigt nicht, wie damit improvisiert werden kann (die Tendenz zu reinem Tonleiterspiel ist vielen Übungen eigen). Er erklärt vorab harmonische Verbindungen, aber eine Grundlage für eigenes Songwriting entsteht daraus nicht. Generell fehlt der Transferaspekt: Mit der Frage, wie spiele ich nun die Songs meiner Band auf Tasten, wird der Schüler allein gelassen. So bleiben nur klanglich oft hübsche Übungen.
Christian Kuntze-Krakau