Mengler, Walter

Fitnesstraining

Warm-ups für Streicher

Rubrik: Praxis
erschienen in: üben & musizieren 2/2016 , Seite 24

Für Sportler eine Selbstverständlich­keit: Jede körperliche Betätigung wird von einer Aufwärmphase vor­bereitet. Das steigert die Leistungs­fähigkeit und verringert nachweislich die Verletzungsgefahr. Doch wie steht es um das Warm-up bei Musikerinnen und Musikern? Die Parallelen liegen auf der Hand: ­körperliche Betätigung im Hoch­leistungs­bereich, Arbeiten an oder mit einem Instrument und – nicht zu unterschätzen – die Risiken einer Verletzung oder Überlastung.

Vorbei sind glücklicherweise die Zeiten, in denen die Übe- und Einspielzimmer überquollen von möglichst kraftvollen, schwer identifizierbaren Klangclustern der schwierigsten Stellen der Sololiteratur – meist verbunden mit einer Entschuldigung, dass so exponierte Passagen mit kalten Muskeln ­natürlich noch nicht ganz gelingen könnten. Allein die Botschaft, dass der Tag mit einem Misslingen beginnt, gehört für unsere Psyche nicht unbedingt zu den vertrauensbildenden Maßnahmen.
Ein gutes Gelingen zu Beginn einer Übephase hingegen öffnet Spielräume für gesundes und leistungsfähiges Musizieren. Gut, wenn InstrumentalistInnen über ein punktgenaues und effektives Repertoire von kurzen Übungen verfügen, um in maximal zehn bis fünfzehn Minuten Körper, Geist und Instrument in Einklang zu bringen.
Drei Phasen von jeweils maximal fünf Minuten mit sehr unterschiedlichen Anforderungen sollen hier in den Grundprinzipien dar­gestellt werden. Für die tägliche Anwendung müssen Einspielübungen immer individuell an die eigenen Bedürfnisse und vor allem an das jeweilige Instrument angepasst werden, meine Vorschläge aus der Sicht des Cellisten sind hier nur als Anregung zu verstehen.

Phase 1: Bewegungsaktivierung und Zugang zum Instrument

Bewegungen funktionieren immer dann besonders effizient, wenn alle beteiligten Muskeln und Gelenke harmonisch ineinandergreifen. Werden einzelne Muskeln aus der Muskelkette unbeabsichtigt blockiert, geraten diese schnell in unkontrollierte Anspannung. Wichtiger als Kraft- und Dehnübungen sind deshalb „Entkoppelungsübungen“ für die Gelenke: leichte Spielbewegungen, die einzelne Muskelgruppen aktivieren, um die Beweglichkeit der Gelenke zu testen und sicherzustellen. Einfache, angenehme Bewegungen öffnen die Bahnen für die Rückmeldung vom Gehirn zum Muskel.
Es gilt der Grundsatz: Große Bewegungen haben Vorrang vor kleinen. Zusätzlich zu den instrumententypischen Mustern können auch unkonventionelle Bewegungen Eingang in die Auflockerung finden: Beine, Hüfte, Rücken und – ganz wichtig – Schultergelenke in allen möglichen (leichten) Variationen. Gerade in der Anfangsphase des Übens besteht die Gefahr, dass Muskelgruppen unbemerkt gekoppelt und damit verkrampft werden; isoliert man diese Bewegungen kurz und ohne Anstrengung, wirkt sich das wohltuend auf die Bewegungsbereitschaft aus. Zeitgleich können alle Verbindungen des Instruments zum Körper auf sicheren Griff und guten Kontakt überprüft werden. Besonders nachhaltig wirken Übungen, die angenehme Bewegungen mit einem Wohlgefühl der Tonerzeugung koppeln. So können Technik und Emotion zusammen wachsen.
Übung 1 beginnt mit großen Schwung- und Kreisbewegungen für die Schulter und den Oberkörper (NB 1). Die nächste Übung aktiviert mit der ganzen Bogenlänge größere Bewegungen im Wechsel mit kleineren (NB 2). Übung 3 „justiert“ spontan und schwungvoller den ersten Kontakt mit dem Griffbrett beziehungsweise Instrument (NB 3). Die letzte Übung dieser ersten Phase (NB 4) regelt die schnelle Anpassung an unterschiedliche Bogengeschwindigkeiten.

Phase 2: Genauigkeit, schnelle Reflexe, Krafteinsatz

Gleichmäßigkeit und metrische Präzision sind, bei aller Freiheit der Interpretation, ein nicht zu unterschätzendes künstlerisches Schönheitsideal. Es lohnt sich folglich, ungewollte Abweichungen aufzuspüren und zu regulieren. Wenn für diese Art von Training computergestützte Programme nicht zur Verfügung stehen, kann das gute alte Metronom zur Kontrolle gute Dienste leisten.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 2/2016.