Huizing, Jan Marisse
Frédéric Chopin – Die Etüden
Entstehung, Aufführungspraxis, Interpretation
Der niederländische Pianist, Hochschullehrer und Autor Jan Marisse Huizing, der am Konservatorium in Amsterdam, am Mozarteum in Salzburg sowie bei Jan Ekier an der Chopin-Akademie in Warschau studierte, legte 1996 in Haarlem eine Arbeit über die Etüden von Chopin vor: De Chopin Etudes in historisch Perspectief. Für den Schott-Verlag schuf er die hier vorliegende, ins Deutsche übertragene Neufassung; dabei ließ er sich von seinem 2008 verstorbenen Freund und Kollegen Detlef Kraus beraten. Im Vorwort bedankt sich Huizing auch für Anregungen, die ihm Paul Badura-Skoda, der Herausgeber der Etüden in der Wiener Urtext Edition, gab.
Jan Marisse Huizing erweist sich als ein Interpret und Autor, der seinen Chopin nicht nur genau studiert hat, sondern sich auch bestens in der Literatur über dessen Musik auskennt und treffende Zitate, Fotografien sowie Abbildungen auswählt. Darunter befinden sich u. a. Notenbeispiele aus Autografen und aus Verlagsausgaben, Darstellungen der Flügelmechanik von Zeitgenossen wie Graf, Érard und Pleyel, dazu Fotos von damals verbreiteten pianistischen „Folterinstrumenten“ wie z. B. dem „Guide-Mains“ von Friedrich Kalkbrenner, der Chopin nach dessen Ankunft in Paris 1831 gerne unterrichtet hätte.
Huizing betrachtet die Etüden – unter Berücksichtigung historischer Aufführungspraxis – in neun wohlgeordneten Kapiteln. Besondere Aspekte gelten der Bedeutung von z. B. Charakter, Tempo, Spielweisen, Metronomangaben, Ausgaben, Balkeneinteilung sowie Pedalgebrauch. Als Beispiel sei des Verfassers Anmerkung zum fünften Takt der ersten Etüde C-Dur aus op. 10 zitiert, in dem Chopin – bei Sekundschritten in den Bass-Oktaven – das Pedal ganztaktig vorschreibt: „Auch auf Chopins Pleyel-Flügel oder anderen vergleichbaren Instrumenten seiner Zeit ist das Ineinanderklingen solcher Oktavgänge im Bass ein bewusst beabsichtigter Effekt, der auf dem heutigen Flügel nur mit angepasster Pedalisierung (zum Beispiel Halb-Pedal) zu realisieren ist.“
Ferner hat Huizing eine Diskografie von Gesamtaufnahmen der Etüden erstellt, von denen manche auch die drei Etüden von Moscheles/Fétis einschließen. Die Liste enthält mehr als einhundert CDs sowie fast 40 LPs mit Kennziffern und Jahreszahlen. Ein Artikel über die Mechanik verschiedener Flügel von Chopins Zeit bis heute ergänzt die Publikation.
Das wunderbare Buch von Jan Marisse Huizing über die Etüden von Chopin ist unbedingt empfehlenswert.
Peter Roggenkamp