Krönig, Franz Kasper
Freies Musizieren
Eine inklusive Konzeption zum Musikmachen mit Kindergruppen an Grundschulen
Freies Musizieren klingt zunächst nach Regellosigkeit und Chaos und ruft entsprechend Zweifel und Ängste bei PädagogInnen hervor. Doch mit einem inklusiven Ansatz bietet Freies Musizieren nicht nur für Kinder, sondern auch für die Lehrkräfte die Chance zur persönlichen Weiterentwicklung.
Wenn Kinder in Schule oder Ganztagsbetreuung überhaupt die Gelegenheit erhalten, aktiv mit Instrumenten Musik zu machen, erfolgt das in der Regel in einem weitgehend geschlossenen, vorstrukturierten, reglementierten und stark angeleiteten Rahmen. Dafür gibt es mehrere Gründe. Auch PädagogInnen, die geneigt sind, Kindern entdeckenden und selbstbestimmten Zugang zu Lerngegenständen und Materialien zu gewähren, haben gute Argumente, bei Musikinstrumenten eine Ausnahme zu machen: Sie sind wertvoll, zerbrechlich und unter Umständen sogar gefährlich (man denke zum Beispiel nur an Verletzungen durch reißende Gitarrensaiten, wenn die Kinder der Versuchung, an den Wirbeln zu drehen, die so offensichtlich zum Drehen gedacht sind, nicht widerstehen können). So ist an der Grundschule Harmonie – eine der ganz wenigen Grundschulen in Deutschland, an denen Offener Unterricht praktiziert wird – der Musikraum der einzige für die Kinder geschlossene Raum der Schule überhaupt.2
Neben den Gefahren für Instrument und Körper gibt es noch zwei weitere, ebenfalls höchst plausible Gründe für eine besondere Reglementierung des Zugriffs auf Instrumente. Eine Gruppe von Kindern in einem Raum mit Instrumenten erzeugt einen Lärm, der nicht nur die Nutzbarkeit benachbarter Räume einschränkt, sondern vor allem auch fraglich werden lässt, was die einzelnen Kinder im Raum überhaupt von ihrer eigenen Klangproduktion und der der anderen auffassen können, ganz zu schweigen von der Belastung durch den hohen Pegel. Während bildende Künstler wunderbar nebeneinander arbeiten können, ohne sich zu stören, liegt bei Musik eine Situation vor, die der vergleichbar wäre, wenn Künstler mit Feuerwehrschläuchen ihre Leinwände bespritzen würden und dabei nicht anders könnten als in enormem Ausmaß die Leinwände der KollegInnen zu treffen.
1 Das Konzept wurde sowohl im Rahmen des Projekts „Zusammenklang“ der Montag-Stiftung Jugend und Gesellschaft entwickelt und von mehreren DozentInnen an mehreren Schulen in die Praxis umgesetzt als auch im Kontext des Projekts „MuProMandi“ der Offenen Jazz Haus Schule vom Autor selbst als Dozent eingesetzt.
2 unveröffentlichtes Interview von Linda Farace mit dem Schulleiter Walter Hövel im Rahmen einer Hausarbeit im Studiengang Pädagogik der Kindheit und Familienbildung an der FH Köln im Sommersemester 2013.
Lesen Sie weiter in Ausgabe 4/2015.