Meyer, Claudia

Freiheit zur Vielfalt

Heterogenität im Monheimer Improvisationsorchester

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 3/2017 , Seite 44

Um der Verschiedenheit von Kindern in Lerngruppen nicht nur gerecht zu werden, sondern sie im Idealfall auch als Bereicherung nutzen zu können, ist es notwendig, sich von dem Wunsch einer stärkeren Homogenisierung durch Selektion zu verabschieden und stattdessen Konzepte zu entwickeln, in denen Freiräume für selbstgewählte und selbstgesteuerte Bildungsprozesse möglich sind. Anzustreben ist eine Lernumgebung, die Freiheit zur Vielfalt ermöglicht. Diesen Anspruch erhebt das Monheimer Improvisationsorchester.

Beim Monheimer Improvisationsorchester handelt es sich um ein Orchester der Musikschule Monheim, welches mit Handzeichendirigat arbeitet. Die im Monheimer Improvisationsorchester verwendeten Handzeichen gehen zurück auf den New Yorker Musiker Butch Morris, der in den 1980er Jahren Dirigiergesten entwickelte, die er zum Teil von dem Jazzmusiker Charles Moffett übernommen hatte. Mit diesen Dirigiergesten arbei­tete er zunächst im Bereich zeitgenössischer Kammermusik, später auch ohne Komposi­tionsvorlagen. Seit 1985 bis heute hat Butch Morris in 23 Ländern ca. 200 Conductions* durchgeführt, aus denen verschiedene Improvisationsorchester hervorgingen.
Im Jahr 2007 entstand das Wuppertaler Improvisationsorchester. Dieses Orchester war daran interessiert, die Dominanz einer ständig dirigierenden Person zu vermeiden, und hat in Anlehnung an das London Improvisers Orches­­t­ra die Lösung gefunden, dass wechselnde En­­semblemitglieder das Dirigat übernehmen. Im Wuppertaler Improvisations­orchester spie­len sowohl professionelle Improvisations­musikerinnen und -musiker als auch Laien mit einer Affinität zur Improvisa­tion.
Die Improvisationsmusikerin und Querflötenlehrerin Angelika Sheridan besuchte mit ihren Instrumentalschülerinnen der Monheimer Musikschule eine offene Probe des Wuppertaler Improvisationsorchesters und erlebte, dass die Kinder zu Hause und in der Schule begeistert und detailliert von den Improvi­sationen nach Dirigierzeichen erzählten. Sie konnten alle Zeichen auswendig erklären und waren Feuer und Flamme, diese Erfahrungen in ihrem Instrumentalunterricht und mit ihrem Instrument fortzuführen.
In einer der nächsten Unterrichtsstunden führte Angelika Sheridan die Dirigierzeichen im Instrumentalunterricht ein, was dazu führte, dass ein traditioneller Querflötenunterricht unmöglich geworden war, denn ihre Schülerinnen verlangten jede Stunde nach der Improvisation mit den Dirigierzeichen. Aus diesem Impuls der Schülerinnen entstand das Monheimer Improvisationsorchester, welches über die Querflöte hinaus für unterschied­liche Instrumente geöffnet wurde. Was zunächst als Experiment begann, führte nach dem ersten öffentlichen Auftritt und begeisterten Rückmeldungen des Publikums dazu, dass die Schulleitung das Monheimer Improvisationsorchester als festes Ensemble der Musikschule genehmigte.

* Mit dem von Butch Morris entwickelten Begriff der Conduction ist ein Austausch zwischen der dirigierenden Person und einem instrumentalen Ensemble über ein Handzeichendirigat gemeint. Das Dirigat besteht aus ca. 20 bis 30 Handzeichen, mit denen unmittelbar Änderungen in den Bereichen Harmonie, Melodie, Rhythmus, Tempo, Artikulation, Phrasierung, Form etc. durchgeführt werden können.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 3/2017.