Beethoven, Ludwig van

Fünf leichte ­Klaviersonaten

Opus 2 Nr. 1, Opus 14 und 49, hg. von Norbert Gertsch und Murray Perahia

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Henle, München 2019
erschienen in: üben & musizieren 2/2020 , Seite 61

Leichte Klaviersonaten von Beethoven? Man ist sogleich beruhigt ob der relativierenden Bemerkung zu Beginn des Vorworts. Die Zusammenstellung der beiden Sonaten op. 49 – schon bei ihrer Erstveröffentlichung ausdrücklich als „Sonates faciles“ bezeichnet – mit den Sonaten op. 14 ist naheliegend und leuchtet unmittelbar ein. Als fünfte im Bunde wurde die erste offiziell von Beethoven autorisierte Sonate in f-Moll op. 2,1 ausgewählt. Angeboten hätten sich eventuell noch die „Pathétique“ oder die Sonate in F-Dur op. 10,2 mit der reizvollen Polyfonie im Finalsatz, die beide denselben technischen Schwierigkeitsgrad besitzen wie die f-Moll-Sonate. Nimmt man deren „Prestissimo“-Vorschrift im letzten Satz ernst – und das sollte man mit Blick auf die andernfalls eher blasse thematische Wendung der Takte 6 ff. unbedingt tun –, dann ist dieser (und mit ihm die Sonate) sicher alles andere als einfach. In jedem Fall aber bieten die hier zusammengestellten Werke bestes Unterrichtsmaterial; wer sie in ihrer Gesamtheit tadellos bewältigt, ist ein guter Klavierspieler.
Der von Norbert Gertsch in Zusammenarbeit mit Murray Perahia neu herausgebrachte Notentext wird, wenn dereinst alle Sonaten bei Henle vorliegen, die alte Henle-Gesamtausgabe ab­lösen, mit der mindestens zwei Generationen von KlavierschülerInnen, -pädagogInnen und professionellen PianistInnen aufgewachsen sind. Trotz der im doppelten Wortsinn starken Konkurrenz auf dem Gebiet der Beethoven-Sonaten (vor allem Bärenreiter und die Wiener Urtext Edition sind hier zu nennen), kann sich der vorliegende Band nach kritischer Prüfung gut behaupten. Er vereint nicht nur in der Zusammenstellung der Werke, sondern auch in der pianistischen Betreuung durch Perahia didaktisches Denken mit philologischer Akkuratesse bei der Erstellung des Notentextes. Sehr zu loben sind hier vor allem die reichen Textteile: das Vorwort dreisprachig, der Kritische Bericht immerhin zweisprachig. So kann der Schüler neben dem Studium der Werke auch einen Einblick in musikalische Textkritik bekommen.
Der Notentext ist zuverlässig und – wie bei Henle üblich – optisch angenehm gestaltet. Lediglich bei den Sätzen 2 und 3 der Sonate op. 2,1 zieht der Rezensent das Stichbild der alten Ausgabe dem neuen vor. Und der alleinige Abdruck von Beethovens originalem Fingersatz bei der Quartenpassage aus dem dritten Satz löst nicht unbedingt das Problem dieser Stelle; hier hätte Perahia vielleicht eine Alternative mit anbieten können. Ansonsten staunt der Fachmann ein wenig über das Wiederauferstehen der Knickbalkung in den Kopfsätzen von op. 49,1 und 2,1, die zwar zu Beethovens Zeit üblich, dann jedoch lange Zeit gänzlich verpönt war. Der Laie indessen wird sich mit Recht nicht daran stören, denn sie beeinträchtigt das harmonische Druck- und Stichbild des Notentextes nicht.
Ulrich Bartels