Bartók, Béla
Für Kinder
Band 1 und 2
Frühe eigene Begegnung am Klavier mit Bartóks Klavierstücken Für Kinder in der Auswahl von Erich Doflein, später als Klavierpädagogin Verwendung der revidierten vollständigen Ausgabe in zwei Bänden der Hefte I bis IV: Das ist der übliche Zugriff auf diese Sammlung Bartók’scher ungarischer und slowakischer Volksliedbearbeitungen in den vergangenen Jahrzehnten. Nach Ablauf der Schutzfrist auf Bartóks Œuvre erarbeitete der Henle-Verlag in Zusammenarbeit mit Editio Musica Budapest nun eine Urtextausgabe.
Die vorliegende Ausgabe, herausgegeben von László Vikárius und Vera Lampert, beruht auf der vom Bartók-Archiv der Ungarischen Akademie der Wissenschaften edierten Kritischen Gesamtausgabe Béla Bartóks derselben Herausgeber und folgt der vom Komponisten im Jahr 1943 für eine Neuausgabe (die erst nach seinem Tod 1946 erschien) revidierten Fassung der Erstausgabe, die zwischen 1909 und 1911 in vier Heften veröffentlicht worden war. Die Edition nimmt im Anhang gestrichene Stücke und Varianten aus der Frühfassung sowie zwei Transkriptionen von Bartók im Konzert gespielter und zur Steigerung der Wirkung aufgepeppter Stücke auf.
Im Kommentar erfährt man Wissenswertes über Tempi und Metronomangaben, die en gros erst der revidierten Fassung beigefügt wurden. Tabellarische Tempovergleiche mit Bartóks eigenen Einspielungen bestätigen seine Tempoangaben, zeigen aber auch Abweichungen auf.
Interessant auch Besonderheiten der Vorzeichensetzung: Wurde in der Frühausgabe auf Generalvorzeichen ganz verzichtet, ist in der revidierten Ausgabe zu beobachten, dass z. B. das generelle Vorzeichen für Fis im Violinschlüssel nicht auf der 5. Linie gesetzt wird, wenn der Ton in dieser Lage nicht vorkommt, statt dessen im ersten Zwischenraum – eine sehr kindgerechte Geste!
Auch die Erläuterungen zu Bartóks fein abgestuften Artikulationen und Akzenten, modifizierten Trennzeichen (Kommata, Fermaten, Pausen über dem Taktstrich), präzisen Pedalzeichen, mit Bedacht für die Kinderhand eingerichteten Fingersätzen sowie die Vermeidung von Oktavspannungen führen sein Anliegen, pianistisch fundierende sowie musikalisch lohnende und ansprechende Klavierstücke für Kinder zu schaffen, vor Augen.
Die sporadisch eingefügte Angabe attacca regt an, kleine Suiten für den Vortrag zu bilden. Bartók selbst nahm die Stücke in sein Konzertrepertoire auf und fügte kleinere oder größere Gruppen als Auswahl in seine Programme ein.
Die klavierpädagogische Bedeutung und Meisterschaft der Sammlung in der Nachfolge von Bach und Schumann muss man nicht betonen. Diese vorbildliche, erschwingliche Urtextedition ist jedenfalls ein Muss! Wenn auch die Rezensentin das Weglassen der Liedtexte bedauert, welche der gängigen revidierten Ausgabe – vermutlich von Verlagsseite – in Deutsch und in den Originalsprachen angefügt waren.
Maria Zeidler-Kröll