Bielefeld-Rikus, Barbara

Ganz unverstaubt

Die Musikschule Dortmund gründete eine Barockakademie

Rubrik: musikschule )) DIREKT
erschienen in: üben & musizieren 1/2018 , musikschule )) DIREKT, Seite 08

Denkt man an Dortmund, so denkt man an Fußball und den BVB, an den größten Weihnachtsbaum Europas und vielleicht noch an das Konzerthaus. Neu hingegen ist eine Barockakademie, die es seit Mai 2017 an der Musikschule Dortmund – mit Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen – gibt. Ein ambitio­niertes Pro­jekt, das neue Wege geht. Initiatorin ist die Dozentin und Block­flötistin ­Barbara Bielefeld-Rikus.

Alte Musik ist nicht mehr wegzudenken aus den Programmen der großen Konzerthäuser. Seit Nikolaus Harnoncourt ist viel geschehen in Sachen Aufführungspraxis und Interpretation von Alter Musik: Man denke etwa an die Bezeichnung „historisch informierte Aufführungspraxis“, die sich mittlerweile nicht mehr nur auf barocke oder frühbarocke Musik bezieht. Musikschullehrkräfte und ihre Schülerinnen und Schüler sollten sich auch in diesem Bereich auf den aktuellen Stand bringen, um mitreden und mitmusizieren zu können. Dies ist einer der Gründe für das neue Format „Barockakademie“.
Darüber hinaus spielt fast jeder Instrumentalschüler barocke Literatur, weil sie scheinbar leicht zu gestalten ist und oftmals erste Erfahrungen im Zusammenspiel bietet. Die Ausführungen der vielfältigen Verzierungen, der besonderen Artikulation und Agogik oder gar Fragen nach der Stimmung der Instrumente scheinen dabei nicht so wichtig zu sein. Doch erst die intensive Beschäftigung mit der Stilistik und Stimmung gibt Antworten, die die Musik der Barockzeit in ihrer eigentlichen Sprache verständlich werden lassen.
Seit einigen Jahren gibt es bei „Jugend musiziert“ die Sonderkategorie Alte Musik. Dort nehmen Solisten und Ensembles teil, die auf sehr hohem Niveau musizieren und schon sehr spezialisiert im Bereich dieser besonderen Stilistik sind. Sie können sich durch die Angebote der Barockakademie weiter fortbilden.

Was bietet die neue ­Barockakademie?

) Cembalounterricht, insbesondere für Pia­nistInnen,
) Unterricht in Generalbass, besonders für Absolventinnen und Absolventen der Studienvorbereitung,
) Erwachsenen-Ensembles,
) Unterstützung bei der Vorbereitung auf den Wettbewerb „Jugend musiziert“, im Besonderen auf die Kategorie Alte Musik und auf die Solowertung Cembalo (2018 neue Kategorie im Wettbewerb),
) Barocktage mit verschiedenen Schwerpunkten.
Über die rein musikalische Dimension hinaus ist es ein Anliegen der Akademie, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer jeden Alters möglichst stark alle Ausprägungen des Projekts mitgestalten zu lassen. Die Ensembles sollen zum selbstverantworteten Proben geführt werden, die DozentInnen sind eher ExpertInnen als Motoren. Die ersten Erfahrungen haben gezeigt, dass dies ein Weg vieler kleiner Schritte ist. Doch das Beispiel mancher Ensembles, die sich für „Jugend musiziert“ gegründet haben, um danach in großer Autonomie weiterzumusizieren, macht Mut und zeigt, dass hier große Energie freigesetzt werden kann.

„Hier kommen hochprofessionelle Vollblutmusiker und ­bieten ihr Können einer Zielgruppe an, die alles andere als homogen ist und wo teilweise richtige Basisarbeit geleistet werden muss – wie an jeder Musikschule eben.“*

Besondere Anforderungen an die Musikschule

Die Musikschule Dortmund unterstützt das Projekt unter anderem dadurch, dass vier Cembali für Proben, Unterricht und Üben genutzt werden können. Darüber hinaus haben die Musikschule und deren Förderverein einige Barockbögen gekauft, die den Streichern in diesem Projekt zur Verfügung gestellt werden. Um sich mit der barocken Spielweise, Artikulation und Interpretation vertraut machen zu können, ist der Einsatz von Barockbögen ein erster Schritt.
An der Dortmunder Musikschule gibt es eine große Fachgruppe Blockflöte, die viele tiefe Blockflöten besitzt – ideal für das gemeinsame Spiel mit SängerInnen oder StreicherInnen.
Generell sind alle Veranstaltungen der Barockakademie offen für Interessierte jeden Alters. Ein erfahrener Umgang mit dem eigenen Instrument sollte dabei selbstverständlich sein. Nicht nur die Lehrkräfte und SchülerInnen aus Dortmund sind herzlich willkommen. Die Barockakademie möchte Interessierten aus dem Umfeld der Einrichtung die Gelegenheit geben, sich intensiv mit Alter Musik beschäftigen zu können, Gleichgesinnte zu finden und sich mit ihnen auszutauschen, um die Entwicklung der Barockakademie mitzugestalten.

Zusammenarbeit mit der ­Chorakademie Dortmund

Von Anfang an gab es eine gute, freundschaftliche Zusammenarbeit mit der Chor­akademie Dortmund. Sie stellte zwei Sängerinnen, die den Gesangspart in der Bach-Arie Komm Trost, mein Jesus kömmt und der Händel-Arie Er weidet seine Herde übernahmen. Vor zwei Jahren gab es ein sehr erfolgreiches Projekt mit einem Doppelquartett (Sänger der Chorakademie und Blockflöten der Musikschule). Darüber hinaus leitete Jens Hamann, Spezialist für Alte Musik und Dozent an der Chorakademie, den Sängertag im Rahmen der Barockakademie.
Ein Erfolgsrezept der Dortmunder Barock­akademie liegt ohnehin darin, dass die Dozentinnen und Dozenten ausgewiesene SpezialistInnen sind, die nicht nur mit einer fundierten künstlerischen und vermittelnden Kompetenz, sondern auch durch die eigene Begeisterung das Feuer in den Teilnehmenden entzünden können.

„Barocke Vokalmusik ist oft sehr filigran und mehrschichtig. Dadurch ist es gar nicht so leicht, sie wirklich schön zu präsentieren. Dank der Barockakademie konnten wir mit einem kleinen Vokalensemble tiefer in die spannende Materie eindringen.“**

Ausblick ins Jahr 2018

Auch für 2018 ist wieder ein Förderantrag beim Land Nordrhein-Westfalen gestellt worden, der versucht, dem regen Interesse an der Barockakademie gerecht zu werden. Alle Angebote sollen weitergeführt und in zusätzlichen Tagesangeboten vertieft werden. So führen etwa die 2017 entstandenen Ensembles ihre Arbeit weiter und können sie ausbauen. Hier versucht sich die Akademie an neuen Wegen: So können die En­sembles mit verschiedenen DozentInnen zusammenarbeiten. Im Verlauf des Jahres sollen die Ensembles immer mehr ihre Belange und Proben(-zeiten) selbst bestimmen. Braucht das Ensemble Unterstützung, so kann es sich an einen Dozenten wenden. Das selbstständige Arbeiten ist in dieser Weise überhaupt erst durch die zur Verfügung gestellten Landesmittel möglich.
Einzelne Werke aus dem Programm des ers­ten Konzerts der Barockakademie werden in Schulkonzerten vorgestellt. Weitere Kooperationen sind in Planung, etwa mit der TU Dortmund im Bereich der Musikwissenschaft und Musikpädagogik.
Noch befindet sich die Barockakademie am Anfang eines hoffentlich erfolgreichen, langen Weges. Mein Wunsch als Initiatorin ist die Entstehung eines Barockorchesters, das die Region bespielt. In Zusammen­arbeit mit der Chorakademie könnte dann sogar eine Opernaufführung stattfinden: ein wunderbares Ziel einer gelungenen Ent­wicklung der Dortmunder Barockakademie und eine Belohnung für alle UnterstützerInnen, die Musikschulleitung, den Förderverein der Musikschule und für die vielen Schülerinnen und Schüler, Kolleginnen und Kollegen für ihre Offenheit und ihr Vertrauen, auf neuen, ganz unverstaubten barocken Wegen zu gehen.

* Jutta Bednarz (Viola), Orchestermusikerin und Instrumentalpädagogin.
** Teilnehmer am Chorprojekt der Barockakademie.

Projektfinanzierung: Die Musikschule Dortmund erhält für das Projekt „Barockakademie“ eine finanzielle Förderung durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-West­falen. Das Land fördert jedes Jahr herausragende Projekte der öffent­lichen Musikschulen, sogenannte „pro­fil- und strukturbildende Musikschulaktivitäten“. Dabei sind zum Teil Themenbereiche vorgegeben, aber auch mit entsprechender Begründung andere Dinge möglich. Die Musikschulen können die Anträge über die zuständigen Bezirksregierungen stellen – die Antragsfrist endet meist im Oktober/November, vorher wird eine Ausschreibung veröffentlicht. Eine Jury entscheidet auf Landesebene über die Förderung. Ein kommunaler Eigenanteil ist erforderlich. Weitere Informationen gibt es auch auf der Website des Landesverbands der Musikschulen NRW.
www.lvdm-nrw.de/landesförderung