Spiekermann, Reinhild
Gelassenheit und Lebenserfahrung
Instrumentalunterricht mit Erwachsenen bietet auch für die Lehrenden große Chancen
Ein Projekt der Hochschule für Musik Detmold untersuchte das Lehren und Lernen von Erwachsenen im Instrumentalunterricht. Die Ergebnisse wurden in Schriftform und auf DVD ausführlich dokumentiert und zeigen, welche Chancen der Instrumentalunterricht mit Erwachsenen nicht zuletzt für die Lehrenden selbst bietet.
Der Erwachsene im Instrumentalunterricht scheint ein thematischer Dauerbrenner zu sein. Schon vor mehr als 25 Jahren richteten die ersten Musikschulen ihr Augenmerk auf Erwachsene. Mit Argumenten wie Zielgruppenerweiterung und unter Verweis auf die zukünftige demografische Entwicklung sowie Veränderungen in der Lebensarbeitszeit wurde damals ein zukunftsträchtiger Bereich entworfen, dessen Ausgestaltung allerdings einige Fragen aufwarf. Zu wenig gesicherte Erkenntnisse über das musikalische Lernen Erwachsener lagen vor, zugleich erhob sich ein Lamento über die mangelhafte Ausbildung der Instrumentallehrkräfte. Mit der Veröffentlichung des Sammelbands Musikalische Erwachsenenbildung. Grundzüge – Entwicklungen – Perspektiven durch Gert Holtmeyer wurde 1989 ein erster Versuch unternommen, divergierende Blickwinkel zu bündeln und einer Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Hubert Daschner steuerte 1991 eine umfassende Bibliografie bei, deren Ursprünge in einem Freiburger Forschungsvorhaben lagen.
Und heute? Die öffentliche Diskussion um den musikalischen Erwachsenen ist – nach der anfänglichen Euphorie der 1980er Jahre – zwischenzeitlich von anderen Themen verdrängt worden, was sich leicht nachvollziehen lässt, wenn man die Erscheinungsjahre der entsprechenden Publikationen durchsieht.1 Durch die sich verschärfende Diskussion um den demografischen Wandel, durch zunehmende Verbreitung der Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie der Lebensspanne wie auch durch den weiterhin steigenden Legitimationsdruck auf öffentliche Bildungseinrichtungen scheint der musikalische Erwachsene (vor allem aus der Altersgruppe 50+) jetzt erneut in den Blickpunkt der Interessen zu geraten.2 Auch wenn es inzwischen eine beachtliche Zahl an wissenschaftlichen Einzeluntersuchungen gibt, die um unterschiedlichste, von Vertretern der Praxis stammende Beiträge ergänzt werden, liegen diese Schriften lediglich versprengt vor. Bildgestützte Materialien existieren so gut wie nicht.
An dieser Stelle setzt ein Projekt der Hochschule für Musik Detmold an, das von 2007 bis 2009 unter meiner Leitung durchgeführt wurde: Einerseits glaubte ich an die Möglichkeit einer engeren Verbindung von Theorie und Praxis. Andererseits wollte ich Filmmaterial erstellen, welches die Professionalisierung angehender Instrumentalpädagogen unterstützen sollte. Mein Wunsch war darüber hinaus, möglichst viele Studierende in die Projektarbeit einzubinden und die bei ihnen schon vorhandenen Kompetenzen in Bezug auf Instrumentalunterricht mit Erwachsenen zu erschließen. Prägnante Ergebnisse aus dem gesamten Projekt sollten in Schriftform und als DVD dokumentiert und in Bezug gesetzt werden zu bislang vorliegenden Erkenntnissen über den Instrumentalunterricht im Erwachsenenalter.
1 vgl. Reinhild Spiekermann: Erwachsene im Instrumentalunterricht. Didaktische Impulse für ein Lernen in der Lebensspanne (= üben & musizieren – texte zur instrumentalpädagogik), Mainz 2009, Bibliografie im Download-Bereich auf www.musikpaedagogik-online.de.
2 Auf Musikschulebene geben zwei aktuelle Veröffentlichungen Aufschluss über die derzeitige Situation Erwachsener an Musikschulen. So haben vier europäische Musikschulen in einem gemeinsamen Projekt, das von 2004 bis 2007 durchgeführt wurde, verschiedene Faktoren des Instrumentalunterrichts mit ihren Lehrkräften untersucht und daraus didaktische Leitlinien formuliert: Ted Pawloff/Christian Fürst (Hg.): Neue Wege der Erwachsenenbildung an Musikschulen. Dokumentation eines dreijährigen Projekts von vier europäischen Musikschulen, St. Georgen 2007. Der Verband deutscher Musikschulen hat jüngst unter dem Titel Musik – ein Leben lang! Grundlagen und Praxisbeispiele zur musikalischen Bildung von Menschen im dritten und vierten Lebensabschnitt veröffentlicht (Bonn 2008).
Lesen Sie weiter in Ausgabe 6/2009.