© Theaterschachtel Hallein_Hubert Auer

Merz, Anna / Anne Fritzen

Gemeinsam gegen die „Trägheit des Herzens“

Erich Kästners „Konferenz der Tiere“ als Community Music Drama

Rubrik: Praxis
erschienen in: üben & musizieren 5/2022 , Seite 28

Was verbirgt sich hinter einem „Community Music Drama“? Im österreichischen Hallein haben Kinder und Erwachsene, Laien und Profis gemeinsam Erich Kästners Botschaft, dass gemeinsam alles erreicht werden kann, auf die Bühne gebracht.

„,Überall herrschen unter den Menschen Not, Krieg und Unvernunft. Das sieht jedes Tier…‘, sagte Oskar, der Elefant. ,Nur manche Menschen […] wollen daraus nichts lernen. Sie regieren und reden und reden und machen Konferenzen.‘ ,Ich weiß‘, seufzte ­Oskars Frau, ,sie stecken den Kopf in den Sand.‘“1 – So beschreibt Erich Kästner in seinem Roman Die Konferenz der Tiere aus dem Jahr 1949 eine Situation, die auch für unser heutiges Weltgeschehen unglücklicherweise wieder zum Verzweifeln aktuell ist.
In Kästners Roman halten die Tiere den Menschenkindern zuliebe eine Konferenz ab und stehen gemeinsam für die Rettung der Welt ein. Ihr unermüdlicher Einsatz zahlt sich letztlich aus: Die Menschen unterzeichnen fünf Verpflichtungen. Darin heißt es unter anderem: „Es gibt keine Kriege mehr […]. Das Ziel der echten Erziehung soll heißen: Es gibt keine Trägheit des Herzens mehr!“2 Neben ihrer politischen Aktualität könnte Kästners Botschaft, dass gemeinsam alles erreicht werden kann, kaum geeigneter für ein Musiktheaterstück sein, welches sich als Community Music Drama bezeichnet – stehen doch Konzepte der Community Music nicht selten im Zusammenhang mit sozialer Gerechtigkeit und großen Themen der Menschheit wie politischem Aktivismus, Gesundheit und Wohlbefinden, aber eben auch Schaffen von Frieden.3

Das Projekt

Hallein (Österreich), 17. März 2022: Kinder und Erwachsene stehen in bunten, liebevoll gefertigten Kostümen gemeinsam auf der Bühne. Jubelnd, lachend und tanzend feiern alle gemeinsam die Friedensbotschaft aus Erich Kästners Konferenz der Tiere: „Es gibt keine Trägheit des Herzens mehr!“ Vier Monate haben sich alle intensiv vorbereitet und auf die Uraufführung hingefiebert. Das Projekt sollte bereits 2020 stattfinden, doch dann kam Covid-19 dazwischen.
Schon seit Langem verfolgt Manuela Widmer, Librettistin und Initiatorin des Projekts, die Idee eines Musiktheaters, das Menschen verschiedener „Communities“4 – wie sie selbst sagt – zusammenführt. Das Grundkonzept hierzu erwuchs aus ihrer jahrelangen Tätigkeit im Bereich des Elementaren Musiktheaters, in welchem das Hauptaugenmerk auf dem Zusammenbringen von Menschen aller Altersgruppen und mit unterschiedlichen Fähigkeiten durch Musik, Bewegung, Tanz und Sprache liegt: Jeder ist willkommen und darf Teil des Ensembles sein. In diesem Sinne sollte das Projekt „Die Konferenz der Tiere“ eine Teilnahme sowohl für eine Schulklasse und interessierte Kinder aus einer freien offenen Theatergruppe ermöglichen, als auch für einen Laienchor und professionelle Musikerinnen und Musiker.

Community Music Drama

Bereits eine genaue Definition von Community Music (ohne den Zusatz „Drama“) ist nur schwer möglich. Grund dafür ist unter anderem die Verschiedenartigkeit der Projekte, welche als Community-Music-Aktivitäten betitelt werden.5 Im weitesten Sinne kann Community Music als Sammelbegriff für verschiedene Arten des gemeinsamen Musikmachens in einem sozialen Kontext sowie mit sozialräumlichen Bezügen gesehen werden.6
Im Projekt „Die Konferenz der Tiere“ bildeten die gemeinsamen Proben im örtlichen Kindertheater „Theaterschachtel“ sowie der Aspekt, dass alle Teilnehmenden aus Hallein und Umgebung stammten und sogar Fami­lien gemeinsam teilnahmen, den sozialräumlichen Bezug. Der soziale Kontext zeigte sich unter anderem darin, dass Profis wie Laien gemeinsam an einem Strang zogen und feststellen durften, dass es nicht auf Können, sondern auf die gemeinsame Interaktion ankommt. Ähnlich beschreiben Burkhard Hill und Alicia de Bánffy-Hall ein Ideal der Community Music: „So sind nicht Musikalität oder Virtuosität bzw. musikalische Leistung eine Zugangsvoraussetzung, sondern die Bereitschaft, mit anderen zusammen etwas auf die Beine zu stellen, an dem jeder/jede nach seinen/ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen beteiligt ist.“7

1 Kästner, Erich: Die Konferenz der Tiere, Zürich 1949, S. 12 f.
2 ebd., S. 105 f., 108.
3 vgl. Higgins, Lee: „Community Music verstehen – Theorie und Praxis“, in: Hill, Burkhard/de Bánffy-Hall, Alicia (Hg.): Community Music. Beiträge zur Theorie und Praxis aus internationaler und deutscher Perspektive, Münster 2017, S. 45-61.
4 Aus einem Interview mit Manuela Widmer am 26. Mai 2022. Gemeint sind hier Menschen aus einem bestimmten soziokulturellen und/oder beruflichen Umfeld.
5 vgl. Higgins, Lee: Community music: In theory and practice, Oxford 2012, S. 3.
6 vgl. Hill, Burkhard/de Bánffy-Hall, Alicia: „Community Music“, in: Hartogh, Theo/Wickel, Hans Hermann (Hg.): Handbuch. Musik in der Sozialen Arbeit, Weinheim 2019, S. 98.
7 ebd., S. 101.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 5/2022.