Siedenburg, Ilka

Geschlechtstypisches Musiklernen

Eine empirische Untersuchung zur musikalischen Sozialisation von Studierenden des Lehramts Musik

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: epos Music, Osnabrück 2009
erschienen in: üben & musizieren 1/2011 , Seite 58

Die Studie von Ilka Siedenburg zur musikalischen Sozialisation von Studierenden des Lehramts Musik ist sowohl inhaltlich umfangreich als auch methodisch solide; sie arbeitet den theoretischen Bezugsrahmen zur musikalischen Sozialisation wie auch den bisherigen Stand der Forschung zu diesem Thema intensiv auf.
Bei der Lektüre fällt – neben der Sorgfalt der Untersuchung und der vielen interessanten Detailfragen – jedoch in erster Linie ins Auge, dass die Ergebnisse keine wirklichen Überraschungen beinhalten. Bis auf wenige Ausnahmen sind Frauen nach wie vor eher klassisch und schriftorientiert sozialisiert, spielen Tasten- und Holzblasinstrumente und halten sich überwiegend von Rockmusik, Technik und Blechblasinstrumenten fern, während Männer mehr in Ensembles spielen, mehr improvisieren und stärker als Frauen durch Medienvorbilder sozialisiert sind.
So umfangreich der Fragebogen auch familiäre und außerfamiliäre Sozialisation, musikalische Aktivitäten im Kindesalter und während des Studiums, Instrumentenwahl und motivatorische Faktoren erfasst und miteinander korrelieren lässt – im Vergleich zu den zitierten Untersuchungen aus den 1990er Jahren hat sich offensichtlich kaum etwas geändert. So sind auch die in der Diskussion vorgeschlagenen Maßnahmen nichts Neues, zumal diese ebenfalls seit den 90er Jahren diskutiert und auch – Siedenburg präzisiert hier – punktuell praktiziert wurden.
Hier jedoch zeigt sich, neben den vielen vorbildlichen formellen Aspekten, die inhaltliche Stärke des Buchs: Nicht nur gibt es einen detaillierten Überblick über die musikalische Sozialisation von Lehramtsstudierenden – die Ähnlichkeit der Ergebnisse zu denen früherer Untersuchungen zeigt, dass über diese ja nicht unbedingt repräsentative Gruppe hinaus Verallgemeinerungen durchaus zulässig sein könnten. Vor allem jedoch zeigt sich in der Befragungsgruppe, dass die punktuellen musikpädagogischen Maßnahmen zur Ausweitung sowohl männlicher als auch weiblicher musikalischer Handlungsmuster keine statistisch messbare Veränderung bewirkt haben.
Somit bleibt der beinahe unveränderlich scheinende Einfluss geschlechtstypischer Sozialisation auf musikalisches Handeln weiterhin ein brisantes Thema für die Musikpädagogik – nicht nur in Vergangenheit und Gegenwart, sondern auch, wenn man Studierende des Lehramts Musik als zukünftige „MultiplikatorInnen“ geschlechtstypischer musikalischer Sozialisation sieht, in den nächsten Jahrzehnten.
Anja Rosenbrock