Spanswick, Melanie

Ghostly Piano Tales

24 fantasievolle Klavierstücke

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2024
erschienen in: üben & musizieren 1/2025 , Seite 63

Die britische Pianistin und Klavierpädagogin Melanie Spanswick schrieb zahlreiche Minaturen für den Klavierunterricht. Ihre Ghostly Piano Tales sind ein Album mit 24 Stücken, die zu je einem Drittel den Spielgraden sehr leicht, leicht und mittel zugeordnet sind.
Jedem hat die Autorin einen Begleittext beigegeben, in dem sie den Titel und die mit diesem verbundene Figur bzw. Stätte in Aussehen, Auftreten und Wirkungen charakterisiert. Diese entstammen unterschiedlichen Kulturkreisen, von Nordamerika über Westafrika bis Ostasien, am häufigsten der britischen Insel. Zum Subjekt werden ein chinesischer Unterweltkönig, eine afrikanische Vampirhexe oder Anne Boleyn als Wiedergängerin, ebenso unheimliche Naturerscheinungen (wie australische Min-Min-Lichter) oder Todesfeste (Dia de los finados).
Die Komponistin notiert an einzelnen Stellen des Notentextes sehr konkrete Ideen zum Geschehen. Damit mag die Vorstellungswelt der Klavierschülerinnen und -schüler angeregt werden, zugleich wird aber auch Raum für eigene Zugänge genommen. Für einige der Notizen findet sich kaum musikalischer Niederschlag.
Hilfreich für das Spielen ist, dass sich Figuren, Artikulationen, Dynamik etc. über konkret Inhaltliches vermitteln. Die Stücke dieses Albums sind kurz, meist von einer halben bis einer Minute Dauer. Für den Anfängerunterricht ist dieser Umfang passend, wenn es um das genaue Arbeiten geht. Dazu wählt Spanswick für jeden Titel einen bestimmten Fokus, z. B. Staccato, Ablösen der Hände, Übergreifen, Synkopen, Swing-Achtel etc. Bezeichnungen für Artikulation, Dynamik und Tempo sind genau angegeben, dies gilt auch für den Pedalgebrauch, bei dem häufiger ein verschwimmendes Halten empfohlen wird, und die Fingersätze.
Spanswick hebt auf Präzision und Festlegungen ab, sie gewährt kaum Freiräume oder Möglichkeiten für Erkundungen, die sich bei fantastischen, irrealen und unheimlichen Gegenständen anbieten könnten. Klangeffekte wie Cluster oder Glissandi verwendet sie vereinzelt, ihre Stücke sind überwiegend traditionell gehalten, meist in Dur-Moll-Tonalität, oft in dreiteiliger Form mit Reprise, in der Wirkung nicht selten freundlicher ,als die Titel vermuten lassen. Einige sind in traditionellen Gattungen wie Blues oder Polonaise gehalten. Melodien lässt sie gern abwechselnd in beiden Händen erklingen, Begleitungen in der linken Hand sind nicht immer geschickt gesetzt. Spanswick hat sämtliche Stücke dieser Sammlung eingespielt, sie sind auf YouTube abrufbar.
Die Ghostly Piano Tales eignen sich für den Klavierunterricht der ersten Zeit. Für den Vortrag wäre aufgrund ihrer Kürze eine Auswahl zusammenzustellen. Die Welt des Fantastischen und Nicht-Erklärbaren ist sehr attraktiv für Kinder und Jugendliche, deren von Video-Spielen und Filmen gefütterter Background Annäherungen zu diesem Album ermöglichen dürfte.
Christian Kuntze-Krakau