Mahler, Gustav

Ging heut morgen übers Feld

Fünf ausgewählte Lieder für Violine und Klavier, bearb. von Ronald Kornfeil, hg. und revidiert von Lisa Batiashvili

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Universal Edition, Wien 2017
erschienen in: üben & musizieren 5/2018 , Seite 56

Die „singende Geige“ mit dem Violinbogen als „Atem“ ist das Ideal aller ViolinistInnen und die Fähigkeit, sich diesem möglichst weit zu nähern, stellt ein Krite­rium dar, um die Qualität eines Musikers zu beurteilen. Bei den französischen Violinisten heißt die E-Saite seit Alters her „La Chanterelle“ und Michel Corette widmete seine erste Violinschule 1738 als L’École d’Orphée dem mythologischen Meister der antiken Gesangskunst. Was liegt also näher, als Werke für Gesang, sei es mit Klavierbegleitung oder als Orchesterlied, für die Violine zu bearbeiten?
Die georgische Geigerin Lisa Batiashvili hat nun fünf ausgewählte Lieder von Gustav Mahler im Arrangement für Violine und Klavier von Ronald Kornfeil herausgegeben. Gerade Mahler widmete sich in seinem Schaffen der Gattung Lied in herausragender Weise, sei es mit Klavierbegleitung, als Orchesterlied oder als motivische Grundlage für seine sinfonischen Kompositionen. Die hier verwendeten fünf Lieder entstammen den Sammlungen Lieder und Gesänge aus der Jugendzeit – „Erinnerung“, „Frühlingsmorgen“ –, Lieder eines fahrenden Gesellen – „Ging heut morgen übers Feld“ – und Des Knaben Wunderhorn – „Das irdische Leben“ und „Urlicht“.
In Anbetracht der oft monumentalen Orchester-„Begleitungen“ in Mahlers Originalwerken stellt es eine besondere Herausforderung dar, diese Klangfülle adäquat in eine kleine kammermusikalische Besetzung für Violine und Klavier zu übertragen. Kornfeil gelingt dies, indem er nicht einfach das Lied melodisch auf die Violine überträgt und beispielsweise den Orchesterpart in einem reduzierten Klavierauszug bearbeitet. Seine Arrangements schaffen neue Kompositionen, indem er die motivische Arbeit der musikalischen Urfassungen völlig neu den beiden Instrumenten zuordnet und neu verwebt. Diese kleinen beeindruckenden Neukompositionen aus den Klangschöpfungen Mahlers stehen den Urfassungen in Nichts nach.
Zum Beispiel gestaltet Kornfeil den leise anlaufenden Einstieg in „Ging heut morgen übers Feld“ mit Piano-Oktaven des Klaviers in der zweigestrichenen Oktave, den Melodieeinstieg zunächst im Pizzicato der Violine, dann im vierten Takt ein Wechsel ins Arcospiel. Die Melodie wechselt sodann in den Klavierpart, teilweise in die linke Hand, und die Violine übernimmt charakteristische Streicherfiguren des Orchesters, unterstützt durch das Klavier bis zum dreifachen Forte. Der melodische Wiedereinstieg wird nun durch den Klavierpart übernommen. Das Zwischenspiel gestalten Violine und Klavier gemeinsam. So setzt sich die Übertragung über die ganze Komposition fort.
Der Rezensent schließt sich voll und ganz der Bewertung der Herausgeberin an: „Für mich persönlich sind die Arrangements eine große Bereicherung für das Geigenrepertoire.“
Uwe Gäb