Gänser, Norman
Gitarre ONLINE Elementar 1
Gitarrenschule für Einsteiger, mit Videos, Onlinekurs (optional)
Digitales lernen und die Kombination von digitalen Werkzeugen mit traditionellen Unterrichtsmethoden wird immer wichtiger, auch im Musik- und Instrumentalunterricht. Da klingt der Titel von Norman Gänsers Heft Gitarre ONLINE spannend und vielversprechend. Hinter dem modern klingenden Titel verbirgt sich jedoch leider kein revolutionär-digitales Konzept, sondern eine Gitarrenschule äußerst traditioneller Art, die mit Videos und Mitspieltracks auf der zugehörigen Website angereichert wird.
Gegen die Lehr-Inhalte ist nichts einzuwenden. Nach einer Einführung in Gitarrenhaltung, Fingerbezeichnungen, Saitennamen und Notenlesen lernt der Schüler das Spiel mit Leersaiten und dem Apoyando-Anschlag. Anschließend geht es mit Melodien auf der E- und H-Saite und der Bassbegleitung mit Leersaiten weiter. Am Ende des Hefts gibt es auch noch Akkorddiagramme für die gängigsten Akkorde in der 1. Lage. Genauso arbeitete schon meine erste Gitarrenschule, die ich 1980 durchzuspielen versuchte.
Und hierin liegt das Problem dieser Ausgabe. Reminiszenzen an das Musikgeschehen der vergangenen 40 Jahre findet man keine. Gänser bewegt sich musikalisch zwischen Klassik, Folklore und nicht besonders spannenden Eigenkompositionen, an denen man sicherlich die richtige Technik der klassischen Gitarre lernen kann. Eine Brücke zu den Hörgewohnheiten der SchülerInnen wird so aber nicht geschlagen. Auch die Akkorde am Ende des Bandes sind nicht für typische Strumming-Patterns ausgelegt, sondern meist nur mit drei Saiten im klassischen Zupfmuster spielbar, sodass eine Verbindung von Klassik-Spiel und Lagerfeuer-Begleitung nur sehr schwer herzustellen ist.
Die Videos auf der Website helfen auch nur bedingt weiter. Zuerst fällt auf, dass im Preis des Gitarrenhefts nur ein Teil der Songs enthalten sind. Will man alle Stücke als Video/Play-along haben, muss zuerst der Online-Kurs für 69 Euro gekauft werden. Immerhin wird der Kaufpreis des Hefts angerechnet, aber auch 45 Euro sind nicht der preisgünstigste Deal im Bereich Gitarrenunterricht.
Die kostenlosen Videos selbst sind reine Performance-Videos, in denen ein nicht sehr modern aussehender Schüler das Stück durchspielt. Durch den Anzähler, gut sichtbare Fingerpositionen und eingeblendete Noten sind die Videos durchaus hilfreich beim Üben, bieten aber auch nur wenig mehr als die Gitarrenstimme. Gerade beim Üben einfacher Anfänger-Melodien kann ein inspirierender Begleittrack Wunder wirken und die eigenen bescheidenen Anfängerfähigkeiten musikalisch deutlich aufwerten. So bleibt am Ende ein zwiespältiger Eindruck der Online-Gitarrenschule. Sie wirkt eher wie der Versuch, alte Methoden neu zu verpacken, als wie ein wirklich neuer digitaler Ansatz.
Martin Schmidt