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Gerber, Heike

Große Portion Zufriedenheit

Inklusive Chorarbeit mit demenziell Erkrankten an der Musikschule City West in Berlin

Rubrik: Musikschule
erschienen in: üben & musizieren 2/2022 , Seite 40

Seit 2016 leitet Heike Gerber den inklu­siven Diakonie Chor der Berliner Musikschule City West, in dem demenziell Erkrankte zusammen mit Angehörigen und nicht erkrankten Menschen singen. Aus ihren Praxiserfahrungen berichtet sie von den Aspekten und Potenzialen inklusiver Chorarbeit.

Die Musikschule City West legt großen Wert auf Inklusion und hat dafür einen eigenen Fachbereich „Inklusion und Musiktherapie“. Im Rahmen der inklusiven Arbeit kooperiert die Musikschule mit Institutionen wie z. B. Schulen mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt. Im Fall des inklusiven Diakonie Chors der Musikschule City West wird mit der Diakonie Charlottenburg-Wilmersdorf zusammengearbeitet. Aktuell besteht der Chor aus zehn bis zwölf Chormitgliedern und tritt zwei- bis dreimal im Jahr auf. Neben demenziell erkrankten TeilnehmerInnen nehmen nicht an Demenz erkrankte Hochbetagte sowie DiakoniemitarbeiterInnen teil. Die demenziell Erkrankten kommen in Begleitung ihrer Angehörigen.
In diesem Chor sind alle willkommen, die sich für das Singen interessieren. Proben mit Anspruch sind gewünscht, strenges Üben jedoch nicht. Die Freude am gemeinsamen Singen steht im Vordergrund. Demenz soll keine Grenze bzw. kein Hindernis darstellen. Im Gegenteil: Der vertraute Rahmen einer Chorprobe und bekannte Lieder sind oft auch ein Stück Erinnerung und damit Sicherheit; der wertschätzende Umgang miteinander stärkt das Selbstwertgefühl. Damit ist das Singen im Chor für demenziell Erkrankte nicht nur ein Hobby.

Probenarbeit

Zur Aktivierung und Stimmpflege beginne ich eine Chorstunde immer mit einer längeren Einsingphase, die durch stimmliche Übungen gepaart mit Bewegung geprägt ist. Diesem wichtigen Bestandteil widme ich noch mehr Raum, Zeit und Kreativität als in der nicht-inklusiven Chorarbeit. Kurze Passagen und Sequenzierungen nach oben und unten etwa können noch im Kurzzeitgedächtnis behalten und von allen bewältigt werden. Längere Passagen würden hingegen Menschen mit fortschreitender Demenz vom Mitmachen ausschließen.
Zur körperlichen Erwärmung wähle ich einen Sitztanz mit Klassischer Musik, um Abneigungen aufgrund unterschiedlicher popmusikalischer Präferenzen zu vermeiden. So werden etwa einzelne Elemente zum „Frühling“ der „Vier Jahreszeiten“ von Antonio Vivaldi als Sitztanz dargestellt. Nach der körperlichen Erwärmung folgen Übungen für den Atem: Für einen ruhigen Atemfluss und als Koordinierungsübung heben wir die Arme und beim Senken sprechen wir „sch“. Oder wir machen eine Atemreflexübung wie das Sprechen von „Tik-Tak“, wobei sich bei „Tik“ beide Daumen und bei „Tak“ beide Zeigefinger berühren. Anschließend gibt es kurze, mit Klatschen und teils vom Klavier begleitete Singpassagen auf „No“ oder „Dubi“. Zu „No“ singen wir lange Töne im Quintraum und senken und heben die Arme, bei „Dubi“ singen wir schnelle Töne im Quint­raum und lockern uns.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 2/2022.