Mollat, Karin

Großgruppenunterricht am Klavier / Die Klavierbahn

Eine neue Methode und ein Weg, in Musikschulen mit steigenden Schülerquoten umzugehen / Klavierschule für den Groß­gruppenunterricht, Lehrerheft, Band 1 / Schülerhefte, Band 1-3

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: ad.libri, Hamburg 2009-2011
erschienen in: üben & musizieren 6/2011 , Seite 56

Karin Mollat stellt ihr Konzept eines Gruppenunterrichts am Klavier mit vier oder mehr SchülerInnen vor. Es handelt sich um zwei voneinander unabhängige Veröffentlichungen. Das Buch Großgruppenunterricht am Klavier beschreibt einen Weg, wie man als Lehrkraft mit den gewohnten Schulwerken in größeren Gruppen arbeiten kann. Die Klavierbahn dagegen ist ein eigenständiges Lehrwerk, das speziell im Hinblick auf die Großgruppe entworfen wurde.
Im Buch beschreibt Mollat unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten des Großgruppenunterrichts – viele davon unproblematisch –, doch geht es ihr im Kern um ein Konzept für den Anfangsunterricht, das für einen Großteil der SchülerInnen den Einzel- oder Partnerunterricht ersetzen soll. Die Ziele der Klavier-Unterstufe lassen sich ihrer Auffassung nach bei geringeren Kosten ebenso gut in der Großgruppe wie in den etablierten Unterrichtsformen erreichen.
Um die Inhalte einer herkömmlichen Klavierschule auf die Großgruppe zu übertragen, schlägt sie vor, die SchülerInnen an mehreren Instrumenten synchron spielen zu lassen. Die an dieser Stelle aufgeführten Möglichkeiten sind nicht neu: Aufteilen der Stimmen auf verschiedene Spieler, phrasenweises Abwechseln, gleichzeitiges Spielen derselben Stimme in verschiedenen Oktavlagen. Zum Üben ist das prima, aber irgendwann kommt der Punkt, an dem jedes Kind sein Stückchen alleine vortragen will. Wenn man dann da­ran weiterarbeiten möchte, muss man drei bis fünf weitere Kinder irgendwie beschäftigen. Mollat gibt zu, dass es in ihrem Konzept nur sehr begrenzt möglich ist, sich intensiv einem einzelnen Schüler zuzuwenden, sieht diesen Nachteil aber kompensiert durch die frühe Gewöhnung an das Zusammenspiel. Hier muss jede Lehrkraft ihre Antwort finden, doch wird bereits an diesem kleinen Beispiel deutlich, wie die Entscheidung für eine bestimmte Unterrichtsform sich auf die Inhalts- und Zieldimension auswirkt. Weitere Vorschläge der Autorin: Die Lehr­person soll aus den Stücken der Klavierschule durch Hinzufügen weiterer Stimmen Gruppensätze erstellen oder eigene Stücke für die Gruppe komponieren. Hier wird man in der Praxis sehr da­rauf achten müssen, dass das einzelne Kind im Gewirr der Stimmen seinen Part noch hören kann.
Einen breiten Raum nehmen Technikübungen ein, wobei ein einseitig sportliches Verständnis von „Technik“ erkennbar wird. Als Beispiel zeigt die Autorin ­eine einfache Fünffinger-Übung zur Geläufigkeit. Diese wird vielfach abgewandelt und für die Gruppe zu mehrstimmigen Sätzen erweitert. Methodisch setzt Mollat vor allem auf unermüd­liches Wiederholen. Zur Illustration zeigt sie eine Seite aus dem Heft einer sechsjährigen Schülerin, die sich durch 450 (!) Wiederholungen ein- und derselben Übung zahlreiche Aufkleber verdient hat. Daraufhin wurde die Übung nicht etwa weggelegt, sondern mit einer neuen Begleitung versehen. Zur Vermittlung einer musikalischen Technik, etwa zur Frage, wie der Zusammenhang zwischen Bewegung und Klang für die SchülerInnen zum Erlebnis werden kann, schweigt sich die Autorin dagegen aus.
Das erste Heft der Klavierbahn ist für Vorschulkinder und Erstklässler gedacht. Es enthält Spiele auf schwarzen und weißen Tasten, die jeweils für sich einen Lehrgang ergeben, aber parallel unterrichtet werden sollen. Auf den schwarzen Tasten werden vorwiegend kleine Lieder gespielt, die für diese Altersgruppe gut geeignet sind. Die Melodien sind im Schülerheft als „Tonwege“ auf ein Tastenbild eingezeichnet. Auf den weißen Tasten gibt es hauptsächlich Fingerübungen. Das Lehrerheft enthält eine Fülle von Anregungen, wie man in der Gruppe mit dem Material umgehen kann. Es ist jedoch unübersichtlich, da es die Beispiele in anderer Reihenfolge bringt als das Schülerheft und an einigen Stellen der Verweis auf die entsprechende Seite im Schülerheft fehlt.
Die Bände 2 und 3 führen in die Notenschrift ein und spielen sich bei sehr langsamer Progression fast ausschließlich im Neuntonraum um das c’ ab. Leider spielt das Thema „Musikalische Gestaltung“ überhaupt keine Rolle. Im gesamten Lehrwerk finden sich keine Angaben zur Dynamik und so gut wie keine Artikula­tionsbezeichnungen. Sehr motivierend sind dagegen die Partituren zu den Gruppensätzen, die beiden Heften beiliegen. Mit ihrer Hilfe werden die schlichten Liedchen zu klangvollen Musikstücken.
Sigrid Naumann