Clausen, Bernd / Alexander J. Cvetko / Stefan Hörmann / Martina Krause-Benz / Silke Kruse-Weber (Hg.)

Grundlagentexte Wissenschaftlicher Musikpädagogik

Mythos Hermeneutik

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Waxmann, Münster 2020
erschienen in: üben & musizieren 5/2021 , Seite 59

Der zweite Band der Grundlagentexte Wissenschaftlicher Musikpädagogik wendet sich dem „Mythos Hermeneutik“ zu. Die Idee zum Buch kann als Reak­tion auf die immer wieder vorkommende Nennung der Begriffe Hermeneutik bzw. hermeneutische Methode in der musikpädagogischen Fachcommunity verstanden werden. Diese bereite zuweilen Kopfzerbrechen, da deren Bedeutung oftmals unklar bleibe. Hin und wieder dienten die Begriffe als „Sammelbecken für alle übrigen Methoden […], die gerade nicht schärfer konturiert werden sollen“, darunter etwa nicht-empirische Verfahren. Die AutorInnen setzen sich daher das Ziel, einen Beitrag zur Begriffsklärung zu leisten und „hermeneutische Grundprinzipien in der Wissenschaftlichen Musikpädagogik“ aufzuzeigen.
Die einführenden „Grundlegungen“ umfassen eine Untersuchung der bisherigen Verwendung des Begriffs in der Musikpädagogik. Zwei Zusammenhänge seien erkennbar: Erstens sei Hermeneutik in musikdidaktischen Kontexten präsent, also bei der „Vermittlung von Musik“, zweitens bei der „Ausgestaltung musikpädagogischer Forschung“. Der eingangs formulierte Eindruck eines nicht immer klaren Begriffsverständnisses wird dabei bestätigt.
Die weitere Gliederung folgt diesen Beobachtungen. Zunächst wird „Hermeneutik in musikdidaktischen Kontexten“ genauer in den Blick genommen. Es folgen interdisziplinär geweitete, abschließend jeweils auf die wissenschaftliche Musikpädagogik bezogene Analysen des Begriffsverständnisses der Fächer Theologie, Rechts-, Geschichts- und Sozialwissenschaften.
Ergebnisse der Untersuchungen sind in den anschließenden Beispielen für „Hermeneutik in ausgewählten Anwendungszusammenhängen“ bereits greifbar. Diese werden sodann ausführlich in der gemeinsam verfassten „Bilanz“ beschrieben. Die AutorInnen stellen fest, dass unter Hermeneutik keineswegs eine klar konturierte Forschungsmethode zu verstehen sei – eine Auflistung einer solchen in Methodenkompilationen sei also unangemessen. Dennoch könnten einige hermeneutische „Haltungen“ und „Forschungsprinzipien“ formuliert werden. Dazu zählten das Interesse an rekonstruktiven Verfahren und an der Beforschung von Einzelfällen, das Bemühen um Klärung des eigenen Vorwissens, das in den Forschungsprozess eingeht, sowie die Vorstellung einer Zirkelstruktur des Forschungsvorgangs, die zwischen Verstehen und Erklären, Induktion und Deduktion etc. vermittle.
Die AutorInnen legen ein beeindruckendes Werk vor. Besonders MusikpädagogInnen, die nicht empirisch arbeiten, dürften von dem Band profitieren. Dieser bietet reichhaltige Möglichkeiten, die eigenen Methoden zu reflektieren und hermeneutische Haltungen im Forschungsprozess fundiert darzustellen.
Matthias Goebel