Georgiou, Aurelia

Gutes Üben will geübt sein!

Das App-Projekt „Üben mit Köpfchen“ als digitales Hausaufgabenheft und didaktische Unterstützung

Rubrik: Digital
erschienen in: üben & musizieren 2/2020 , Seite 42

In der App „Üben mit Köpfchen“ sollen Lehrkräfte optimierte Hausaufgaben­aufschriebe erstellen können, um ihren SchülerInnen Hilfestellung für das häus­liche Üben zu geben und langfristig den Lernprozess des eigenständigen Übens zu fördern.

Die Vermittlung effektiver Übemethoden und -strategien ist elementarer Bestandteil des Instrumentalunterrichts, so wie auch das „Lernen lernen“ in der Schulausbildung verankert ist. Jedoch ist die Herausforderung im Instrumentalunterricht größer, denn dieser findet im Gegensatz zum Schulbesuch üblicherweise nur im wöchentlichen Turnus statt.

Digitales Hausaufgabenheft für den Instrumentalunterricht

Alleine ohne Lehrkraft üben – das ist für die meisten SchülerInnen eine Herausforderung. Wie viele andere Lehrerinnen und Lehrer führe ich deshalb für jeden Schüler und jede Schülerin ein Hausaufgabenheft, in dem ich verschriftliche, was wie zu Hause geübt werden soll und was dabei zu beachten ist. Vor allem zwei Beobachtungen habe ich dabei gemacht: Für viele SchülerInnen scheint die Arbeit mit dem Hausaufgabenheft unattraktiv – sie lesen die Aufschriebe erst gar nicht. Leider können sie selten tatsächlich alle Anweisungen aus dem Unterricht richtig im Kopf behalten. Junge GrundschülerInnen verfügen zudem nicht über ausreichende Lesekompetenz, zumal die Dechiffrierung einer unordentlichen Handschrift eine zusätzliche Hürde darstellt.
Bei älteren SchülerInnen scheitert eine genaue schriftliche Übehilfe oft an mir selbst. Da die Vorgänge und Hinweise komplexer werden, würde mich ein guter Aufschrieb zu viel Aufmerksamkeit kosten, die ich für das Unterrichtsgeschehen selbst benötige. Die zweite Beobachtung war, dass ich immer wieder dasselbe aufschreibe. Eigentlich sehr naheliegend, denn technische und methodische Grundlagen verändern sich weder von Unterrichtsstunde zu Unterrichtsstunde noch von Schüler zu Schüler, nichtsdestotrotz findet der instrumentale Einzelunterricht selbstverständlich individualisiert statt.
Schon jetzt haben sich Mobilgeräte auch im Bereich des Instrumentalunterrichts als echte Bereicherung erwiesen und versprechen weitere Nutzungsmöglichkeiten für die Zukunft. Neben der Erstellung und Nutzung von Medien wie Fotos, Tonaufnahmen und Videos gibt es eine Vielzahl an Apps, die sinnvoll den Instrumentalunterricht ergänzen können wie etwa Musik-Streamingdienste, Notenlern-Apps, Rhythmus-Apps, Apps zum aktiven Musizieren und viele mehr. Dank entsprechender Apps zur Notenanzeige und -bearbeitung erfreuen sich besonders Tablets zunehmender Beliebtheit. Ein Produkt, das als digitale Entsprechung des Hausaufgabenhefts eine Lösung für die oben genannten Nachteile des händischen Hausaufgabenhefts anbietet, ist derzeit allerdings nicht auf dem Markt.
Im vergangenen Jahr hatte ich daher die Idee für das App-Projekt „Üben mit Köpfchen – das digitale Hausaufgabenheft für den Instrumentalunterricht“.* Hausaufgabenaufschriebe sollen von Lehrkräften auf dem Tablet schneller erstellt und zudem leser­licher, übersichtlicher und detaillierter gestaltet werden können. Darüber hinaus sollen mit der App die Potenziale digitaler Medien und von Lernsoftware genutzt werden. Abgesehen von der sprachlichen Ebene sollen Lern- bzw. Unterrichtsinhalte auch auf anderen Wegen vermittelt und erfahrbar gemacht werden können.

Wie soll das digitale Hausaufgabenheft funktionieren?

Die beiden Skizzen zeigen beispielhaft, wie ein Hausaufgabenaufschrieb in der App strukturiert ist (die Skizzen sollen einen Eindruck der Funktionalität vermitteln, es handelt sich dabei noch nicht um das fertige Design der App).

 

Auf der linken Seite können Lehrkräfte den Aufschrieb der vergangenen Unterrichtseinheit sehen, auf der rechten Seite den neuen Aufschrieb erstellen. Schüler Lukas ABC ist Anfänger und kann noch nicht sehr gut lesen. Deshalb ist der Aufschrieb für ihn fast ausschließlich mit Sketchnotes gestaltet. Zwei Symbole sind fester Bestandteil der Aufschriebe: die Glühbirne mit Ausrufezeichen und die Glühbirne mit Pfeil. Erstere bedeutet: „Darauf soll ich achten“, Letztere: „So soll ich üben“. Im linken Aufschrieb für Lukas ist unter „Darauf soll ich achten“ ein Beispielfoto einer guten Handhaltung abgebildet, darunter folgen die Übeaufträge für Alle meine Entchen in der empfohlenen Reihenfolge.
Schülerin Mia XYZ ist schon älter und fortgeschritten, der Aufschrieb für sie ist daher wortlastiger als der Aufschrieb für Lukas. Mias Aufschrieb wurde in diesem Beispiel ergänzt durch eine von ihr im Unterricht eingespielte Aufnahme. Darunter findet sie einen Link zu einem YouTube-Video von Für Elise, das sie sich zur Inspiration anhören kann.
Alle Inhalte für die Aufschriebe können Lehrkräfte entweder über die Kamera-/ Mikrofonschnittstellen und per Texteingabe ad hoc im Unterricht erstellen oder aus der „Bibliothek“ in den Aufschrieb ziehen. In diesem Menü können Fotos, Tonaufnahmen, Videos, Übungen und Links erstellt und archiviert werden. Allgemeine und ins­trumentenspezifische Sets von Sketchnotes und Schlagwörter werden schon vorinstalliert sein und können erweitert werden. Je besser die Bibliothek sortiert ist, desto schneller und unkomplizierter können Lehrerinnen und Lehrer die Aufschriebe gestalten.
Die im Hausaufgabenaufschrieb notierten Übeaufträge sollen automatisiert in einen Wochenplan übertragen und angepasst werden können. Die App soll außerdem von den Lehrkräften gesteuerte Feedbackfunktionen (bzw. Belohnungssysteme) anbieten, die Auskunft über kurzfristige Übeerfolge und langfristige Entwicklungen am Instrument geben. Ebenso sind Features für Gruppen- und Ensembleunterricht geplant.

Wie sollen SchülerInnen die App nutzen?

SchülerInnen sollen ihre Hausaufgabenaufschriebe über eine Schüler-Version der App abrufen können. Diese Version der App ist auch auf Smartphones gut zu bedienen. Alternativ können SchülerInnen sich auf der Website der App einloggen und die Inhalte abrufen oder ihre Lehrerinnen und Lehrer versenden Druckversionen der Aufschriebe per E-Mail oder Messenger-Dienst. Die Nutzung der Schüler-App ist aber zu bevorzugen, denn so kann auch beim Üben mit der App interagiert werden: Übepläne können abgehakt, Medien direkt aufgerufen und abgespielt werden etc.

Wie sehen die technischen Hintergründe aus?

Der Fokus bei der technischen Umsetzung der App „Üben mit Köpfchen“ liegt auf einer Anwendung für Mobilgeräte. Es soll zwar möglich sein, diese App auf jedem PC zu nutzen, bei der Auswahl der Softwaretools stand aber im Vordergrund, eine Anwendung zu bauen, die schnell und ressourcenschonend auf Tablets und Smart­phones läuft. Die App wird als sogenannte PWA (Progressive Web App) realisiert. Dabei handelt es sich um eine Technik, die komplett im Browser läuft und daher Unabhängigkeit von den verwendeten Betriebssystemen wie iOS oder Android und deren App-Stores bietet. Nichtsdestotrotz wird sich die App für AnwenderInnen wie jede andere App darstellen, sie wird nach der Installation als Desktop-Icon sichtbar sein und kann dann über Antippen aktiviert werden. Selbstverständlich wird auch eine Offline-Benutzung der App möglich sein. Dabei werden die entsprechenden Daten lokal vorgehalten und erst dann mit dem zentralen Server synchronisiert werden, sobald wieder WLAN oder eine mobile Datenverbindung verfügbar ist.

* Mit der Idee zu dieser App gewann Aurelia Georgiou den ersten Preis im Wettbewerb „Unternehmen: Musik“ der Hochschule für Musik Detmold.

Lesen Sie weitere Beiträge in Ausgabe 2/2020.