Chabrier, Emmanuel

Habanera

für Klavier

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bärenreiter, Kassel 2012
erschienen in: üben & musizieren 2/2013 , Seite 61

In der Reihe „Bärenreiter Urtext“ legt der Verlag die Habanera für Klavier von Chabrier aus dem Jahr 1885 vor. Der Autor hatte zunächst Jura studiert und arbeitete von 1861 bis 1880 im Innenministerium in Paris. Gleichzeitig machte er nach privater Ausbildung als Komponist Karriere und wurde später auch von Debussy und Ravel geschätzt. Debussy nannte ihn einmal „der von der heiteren Muse so herrlich begabte Chabrier“. Ravel bewunderte an ihm Humor und Brillanz, komponierte ein kleines Klavierstück A la manière de Chabrier und orchestrierte dessen Menuet pompeux für Diaghilev.
Chabrier (1841-1894) war ein vielseitig gebildeter Musiker, der an Dichtung und Malerei interessiert war und Gemälde sammelte. Zu seinem Freundeskreis gehörten Persönlichkeiten wie d’Indy, Manet, Verlaine und Zola. Sein größtes Erfolgsstück ist noch heute die brillante Rhapsodie España für Orchester (1883), die auf Einflüsse spanischer Folklore zurückgeht, mit der er sich 1882 auf einer längeren Reise durch das Nachbarland beschäftigt hatte. Hispanismus bildete im 19. Jahrhundert ein wich­tiges Element auch im Schaffen anderer französischer Komponisten wie z. B. Lalo und Bizet, später Debussy und Ravel.
Chabrier hat die ansprechende kleine Habanera mit einer Dauer von etwa vier Minuten möglicherweise volkstümlichen Melodien nachempfunden. Die Herausgeberin Britta Schilling-Wang hat als Quellen für den Urtext die Erstausgabe von 1885 herangezogen sowie den Nachdruck von 1886. Ergänzend zum Notentext hat sie ein informatives, stimmiges Vorwort und Hinweise zur Edition geliefert (Deutsch/Englisch) sowie einen „Critical Commentary“ (nur Englisch) verfasst. Tamara Stefanovich hat an einigen Stellen Fingersätze beigesteuert, zudem Hinweise zur Ausführung.
Der Klaviersatz ist nicht allzu schwierig, doch muss die rechte Hand in der Lage sein, einige Akkordfolgen, die an einen Klavierauszug gemahnen, mühelos zu bewältigen, zumal wenn der ­Autor ein „ppp“ vorgibt oder „sempre dolce“ schreibt. Der Umfang von einer Oktave pro Hand wird allerdings nicht überschritten. Der Notensatz ist großzügig und extrem klar gedruckt, sodass auch ältere LeserInnen daran ihre Freude haben können. Chabrier hat zudem für Übersichtlichkeit gesorgt, indem er den relativ einfachen Part der linken Hand auf zwei Notensysteme verteilte.
Mit der Habanera von Chabrier haben Herausgeberinnen und Verlag ein eingängiges, nicht ext­rem anspruchsvolles Klavierstück eines wichtigen französischen Komponisten des 19. Jahrhunderts in einer überzeugenden Ausgabe vorgelegt. Diese bietet einen guten Einblick in die Zeit kurz vor Debussys und Ravels Meisterwerken.
Peter Roggenkamp