Ott, Karin und Eugen

Handbuch der Verzierungskunst in der Musik

Band 7: Streichinstrumente, CD-ROM

Rubrik: CD-ROMs
Verlag/Label: Ricordi, München 2010
erschienen in: üben & musizieren 6/2010 , Seite 64

Die Schweizer Sängerin Karin Ott und ihr Gatte, der Regisseur Eugen Ott, haben nun ihr umfangreiches Handbuch der Verzierungskunst in der Musik mit Band 7 über Streichinstrumente abgeschlossen. Das Handbuch ist vor allem eine sehr umfangreiche und erschöpfende Sammlung von theoretischen Quellen zur Verzierungskunst und von Beispielen aus den verschiedensten Epochen. So findet man hier frühe Beispiele von Ganassi oder Bassano aus dem 16. Jahrhundert, dann zahlreiche Beispiele des frühen Barocks aus Italien, England, Deutschland und Frankreich, des Hoch- und Spätbarocks, des 18. Jahrhunderts, der Wiener Klassik, des 19. und 20. Jahrhunderts. Auf über 700 Seiten wird hier mit großer Akribie eine erstaunlich umfangreiche Sammlung vorgelegt.
Wer nur Band 7 kauft und nicht die „Grundlagen“ (Band 1) kennt, erfährt wenig über die geschichtliche Entwicklung von Verzierungen, über ihre wechselnde Bedeutung, auch nicht über Abgrenzungen zwischen Begriffen wie „Verzierung“, „Diminution“, „Improvisation“ und „Komposition“. Wer nur Beispiele zum Triller oder Mordent erwartet, wird überrascht sein: Gerade in der älteren Musik handelt es sich eher um Improvisation.
Die Autoren wählten keinen systematischen Ansatz, sie gehen vielmehr chronologisch nach Epochen und geografisch nach Ländern vor. In ihren Texten zu den Beispielen vermisst der Leser und Musiker eine Hilfestellung zu Fragen wie: Wann kann ich eine umfangreiche Diminution, also eine Improvisation anbringen, wann nur eine kleine Verzierung? Er wird auch allein gelassen bei tiefer eindringenden Fragen wie zum Beispiel nach der Bedeutung der Verzierung für die Harmonik. Auch die Frage nach der schriftlichen Fixierung von Musik wird hier kaum gestreift. Da werden zum Beispiel Kompositionen von Paganini gezeigt, die nicht „Verzierung“ oder „Improvisation“ sind, sondern schriftlich fixiertes Werk, auch wenn sie – was anzunehmen ist – eine Niederschrift von Improvisationen des Virtuosen sind.
So ist Band 7 eine Materialsammlung, der es allerdings an Reflexion mangelt. Dies schränkt den Nutzwert ein. Wer hier didaktische Anweisungen zur Verzierungspraxis erwartet, wird enttäuscht. Dieser Band benötigt für die Erschließung beim Üben und Musizieren eine kundige Lehrkraft, die in historischer Aufführungspraxis ausgebildet ist.
Das Handbuch liegt als CD-ROM vor. Das reicht zum Durchlesen und Anschauen der Notenbeispiele und hat, wenn man die Suchfunktion benutzt, Vorteile gegenüber einer Druckausgabe. Aber wer die Notenbeispiele zum Musikmachen einsetzen will, muss sie ausdrucken. Ein Handbuch auf CD-ROM, das nicht gerade billig ist, sollte auch Hörbeispiele enthalten, denn das würde eine Veröffentlichung als CD-ROM erst rechtfertigen.
Franzpeter Messmer