Ulrich, Jürgen

Harmonielehre für die Praxis

Aufgaben und Lösungen, plus elementare Satzlehre

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott, Mainz 2008
erschienen in: üben & musizieren 1/2009 , Seite 55

Der im vergangenen Jahr verstorbene Autor lässt in seinem nachgelassenen Werk den in der Praxis erfahrenen Lehrer erkennen. Dorothea Ohly und Joachim Thalmann haben im Auftrag der Landesmusikakademie NRW den Band überarbeitet und herausgegeben. Adressaten sind neben Studierenden und Musikschullehrkräften auch interessierte Laien. Das ansprechend gebundene Buch enthält die Grund­lagen einer elementaren Harmonielehre und eine Einführung in die Satztechnik.
Angesichts verschiedener Theorien, unterschiedlicher Modelle und des riesigen Umfangs des Gebiets der Musiktheorie gelingt es Ulrich, seine Vorstellungen und Vorgehensweisen nachvollziehbar zu erklären. Überzeugende Vergleiche aus Sprachwissenschaft, Grammatik und Rhetorik tragen dazu bei. An geeigneten Stellen lässt Ulrich die historischen Entwicklungen und entsprechende Begriffserläuterungen einfließen. Psychologisch geschickt werden dem Lernenden Befürchtungen genommen und er wird zum Weitermachen ermuntert. Beeindruckend für den Fachmann ist es, wie Ulrich unterschiedliche Auffassungen diskutiert und goldene Mittelwege aufzeigt. Verblüffende Vergleiche und erfrischende Wortbildungen („Mundharmonikaprinzip“) würzen den Text in ansprechender Weise.
Besondere Klippen für jeden Theorieschüler wie Quint- und Oktavparallelen und entsprechende Vorschriften und Verbote werden sehr gut erklärt. Parallelen und Gegenklänge sind mit entsprechenden Beispielen dokumentiert und werden in ihrer Gewichtung erläutert. In angemessener Dosierung werden an die Informationen Aufgaben angeschlossen: Analyse gegebener Beispiele, Bass aussetzen und Melodien harmonisieren. Nebenbei werden auch passende Rhythmen trainiert und immer wieder Vergleiche mit anderen Zeitaltern und Kulturen gezogen, sodass die Relativität überlieferter Systeme deutlich wird. Bei der Aufgabenstellung sind kleine Mängel festzustellen: Bass aussetzen und Tonsatz nach Symbolen erstellen wird nicht eindeutig unterschieden und die Lösungen im Anhang passen oft nicht zu den Aufgaben, was doch sehr irritiert.
Im zweiten Teil bringt der Autor eine elementare Satzlehre. Der geringe Raum erzwingt ein sehr steiles Vorgehen. Die Stufung – 2-stimmiger Satz, dann Bordun und liegende Stimme, dann 3-stimmiger Satz – ist an sich methodisch richtig, aber auf wenigen Seiten wird eine kaum zu bewältigende Fülle von Informationen, Begriffen, Deutungen und Aufgaben geboten, sodass der Laie hoffnungslos überfordert ist. Dazu kommt, dass die Auswahl der Aufgaben, die gegebenen Beispiele und die angebotenen Lösungen nicht immer überzeugend sind. Hilflose Lerner werden im besten Fall die Beispiele sklavisch nachahmen oder resignieren. Bei behutsamem Vorgehen mit Lehrperson könnte der Lehrgang aber gelingen. Insgesamt überwiegen die Vorzüge.
Otto Junker