Müller-Jung, Joachim (Hg.)
Hirnforschung 10. Musik und Geist
Die besten Beiträge aus F.A.Z. und Sonntagszeitung
Musik wird auf vielfältige Weise praktiziert und angewendet. Durch die permanente audiovisuelle Informationsflut über diverse Medienkanäle und Genres wird es zuweilen schwer für den Hörer, dabei die Musik herauszufiltern. Musikerleben ist eine sehr persönliche Erfahrung. Wie ein Mensch den spezifischen Zusammenklang von Tönen erlebt, ist abhängig von der subjektiven Vorerfahrung im Bereich einer bestimmten Kultur. Das menschliche Bedürfnis, die Musik als Kommunikationsmittel zu nutzen, ist in jeder Kultur der Vergangenheit und Gegenwart anzutreffen. Entsprechend dem Spektrum der ästhetischen Positionen, der Zwecke und Realisierungen ist auch das Setzen von Musik reich an Verfahren, Mustern und Ausdrucksformen. Beim Nachdenken darüber, wie facettenreich die Wirkung von Musik sein kann, werden zahlreiche Ansatzpunkte offenkundig.
Das Hörbuch Musik und Geist versammelt in sechs Beiträgen neue Erkenntnisse international renommierter HirnforscherInnen, WissenschaftlerInnen und FachjournalistInnen aus verschiedenen Disziplinen, wie zum Beispiel Musikwissenschaft, Medizin, Neurologie, Psychologie, Philosophie und Pädagogik. Musikforschung und Musikproduktion bedingen einander, was interdisziplinäre Zusammenarbeit notwendig macht. Die Aufgabenfelder und Nutzungsvarianten werden anhand von Fallbeispielen realitätsnah beleuchtet und gleichermaßen kreativ und anspruchsvoll hörjournalistisch präsentiert. Hirnforschung ist ein faszinierendes, doch auch kontroverses Thema. Die Musik, als Besonderheit der Wahrnehmung, des Denkens, Lernens und Handelns, beansprucht das neuronale Netzwerk in verschiedenster Art und Weise, was mehrdimensionale Zugänge zum Thema möglich macht. Die wechselseitige Beziehung von Musik und Sprache ist sehr eng. Beide wirken bereits pränatal, dienen der Bildung, können gleichermaßen beleben, heilen, stimulieren, aber auch manipulieren. Die Fähigkeit aus Tönen, Klangfarben, Intervallen, Melodie, Harmonie und Rhythmus eine musikalische Rhetorik zu formen, wird erst durch das Zusammenwirken verschiedener Hirnareale möglich. Neben der rationalen ist die emotionale Informationsverarbeitung aktiv. Die kognitiven Prozesse schließen Interpretationen, Erinnerungen und Erwartungen ein. Die Aktivierungseffekte beim Musikhören und aktiven Musizieren sind äußerst komplex, ebenso differenziert ist die neuronale Aktivität bei Laien und Berufsmusikern. Präzise Handlungsabläufe sind ohne das sensorische Feedback des Gehirns undenkbar. Die enorme Bandbreite der neuronalen Musikverarbeitung ist lange nicht erschlossen und bietet ein weites Forschungsfeld. Das Gehirn als zentrales Organ des Lernens und das Verständnis seiner Funktionen ist für Musikpädagogen von besonderem Interesse, um das Lernpotenzial ihrer SchülerInnen individuell zu fördern.
Juliane Bally