Heller, Barbara

Hör-Bilder

15 Legenden für Klarinette, hg. von Irith Gabriely, mit CD

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Furore, Kassel 2021
erschienen in: üben & musizieren 3/2022 , Seite 64

Mit ihren Kompositionen verbindet Barbara Heller, Jahrgang 1936, in vielen Fällen den pädagogischen Ansatz, einen kreativen Zugang zur neueren Musiksprache zu finden. Als ausgebildete Pianistin hat sie in ihren Klavierwerken für Kinder und Jugendliche ihre kreativen Ideen umgesetzt. Auch die Hör-Bilder für Klarinette solo haben einen entsprechenden Ansatz. Sie eröffnen einen freien Interpreta­tionsraum. Die Notenausgabe enthält zweimal den Notentext: einmal in gewohnter Form mit differenzierten Spielanweisungen und einmal als unbezeichneten Notentext. Den bezeichneten Notentext hat die israelische (Klezmer-)Klarinettistin Irith Gab­riely ausgearbeitet, für die Barbara Heller 1982 Variationen für Irith geschrieben hat. Sie interpretiert auch auf der CD 13 der Legenden auf der Klarinette und zwei auf dem Saxofon.
Diese Materialien eröffnen viele Möglichkeiten im Unterricht, zumal die Komponistin selbst zu einem kreativen Umgang in ihren Anmerkungen ermuntert. Man könnte mit dem einfachen, unbezeichneten modal gefärbten Tanz beginnen. Da muss zunächst die Tempofrage geklärt und ausprobiert werden. Dabei können sich Erläuterungen über Tanztypen im Dreiertakt ergeben. Dann kann die passende Artikulation überlegt und die Dynamik festgelegt werden. Nach dem Einüben bietet sich ein Vergleich zunächst mit dem Notentext von Irith Gabriely und dann deren CD-Version an. Besonders spannend kann es werden, wenn im Gruppenunterricht verschiedene Schüler-Versionen vorgestellt werden!
Barbara Heller hat den 15 Legenden konkrete, aber auch fantasievolle Titel gegeben, die in den meisten Fällen einen nachvollziehbaren Bezug zur Musik herstellen. Die Musik selbst ist nicht tonal gebunden, geht sehr konzentriert mit dem Tonmate­rial um, verzichtet manchmal auf ein Metrum, überfordert aber im Rhythmischen nicht.
Thematisch lassen sich einige Stücke zu einer kleinen Suite zusammenstellen: Ein Signal oder eine quintbetonte, aber auch mit Septimen arbeitende Fanfare kann am Anfang stehen und eine rhythmisch etwas diffizile Botschaft ankündigen oder auf ein mit vielen Tonrepetitionen ausgestattetes großes Orakel hinführen. Vielleicht muss darauf ein einfühlsamer Abschied folgen oder man ist zu einem kurzen Klezmer-Song ermutigt. In eine andere Richtung zeigen Titel wie Gebet, Paradies, Stille oder Spirale, Perpetuum Mobile. Besonders anspruchsvoll ist die Realisation der Legende Selbstbildnis, ein Stück, das Anlass zu Fragen geben kann, die über die Musik hinausgehen.
Die Legenden, mit einer durchschnittlichen Spieldauer von zwei Minuten, haben spieltechnisch unterschiedliches Niveau und sind ab der Mittelstufe eine Bereicherung für den Unterricht und gut als Vortrags- oder Wettbewerbsstücke geeignet. Die CD-Interpretationen von Irith Gab­riely überzeugen in der Gestaltung, sind aber in Bezug auf die Klangqualität des Klarinettentons weniger vorbildlich.
Heribert Haase