Löbbert, Christine

Hören erfahren

Wege zum bewussten Hören in Schule und Instrumentalunterricht

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 3/2014 , Seite 47

Warum ist es so wichtig, Kinder und Jugendliche zu kompetenten Musik­hörern zu machen? Mit dem bewussten Musikhören wird ihnen eine Ressource erschlossen, die weit über die Zeit des aktiven Musizierens ­hinaus Bestand hat. Musik braucht immer Zuhörer. Blieben die Konzert­säle leer, gäbe es auch keine Konzerte mehr. Musik bliebe ungehört. Es ist der leidenschaftliche Zuhörer, der das verhindern kann. Es muss das Inte­resse des Musik- und Instrumental­unterrichts sein, das bewusste Hören zu fördern.

Dass die Lust am Hören ein Grundbedürfnis ist, wird offensichtlich, wenn man sich in eine Welt begibt, die auf den ersten Blick nicht viel mit Musik zu tun hat: die Welt der Hörgeschädigten. Da herkömmliche Verständigung nicht selbstverständlich funktioniert, müssen andere Wege des Austauschs gesucht und gefunden werden. Überlässt man sich jedoch der Führung durch die Hörgeschädigten, gewinnt man als gut Hörender Einblicke in ein ungewohntes Hörverhalten und sieht sich unvermittelt mit seinen eigenen Hörgewohnheiten konfrontiert.
Beobachtet man hörgeschädigte Jugendliche, zeigt sich, aus wie vielen Komponenten der Hörvorgang eigentlich besteht. Wenn diese Jugendlichen die Welt der Klänge für sich über die unterschiedlichsten Kanäle entdecken können, so zeigt sich eine Begeisterung, die ansteckend ist, und man fragt sich, wann man selbst so begeisterte Hörerlebnisse hatte, die über das rein analysierende und wertende Musikhören hinausgingen.
Ich habe das Glück, immer wieder zwischen den verschiedenen Welten wandern zu dürfen. Morgens unterrichte ich Musik am Bildungs- und Beratungszentrum für Hörgeschädigte in Stegen bei Freiburg. Meine SchülerInnen sind Jugendliche im Alter zwischen zehn und achtzehn Jahren, die mittelgradig bis hochgradig hörgeschädigt oder gehörlos sind. In der Regel sind alle mit Hörgeräten oder Cochlea-Implantaten versorgt, sodass mit dem Hörrest gearbeitet werden kann. Musik wird einmal in der Woche als regulärer Musikunterricht angeboten, darüber hinaus wird mehrmals wöchentlich an verschiedenen Musikprojekten wie z. B. Tanz-, Chor- oder Rhythmusprojekten gearbeitet. Dabei geht es für mich um die Frage, wie ­Musik schwerhörigen Jugendlichen nahe gebracht werden kann, und ich entdecke dabei immer wieder, in welcher Weise die Schülerinnen und Schüler mit ihren Reaktionen und ihrer Begeisterung uns gut Hörenden Wege aufzeigen, Musik noch intensiver wahrzunehmen. Diese Erfahrungen beeinflussen zum einen mein eigenes Hören, aber vor allem bereichern sie den Cellounterricht, den ich nach dem Schulunterricht an der Domsingschule Freiburg erteile.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 3/2014.